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Good Morning Karachi

Spielfilm von Sabiha Sumar
Deutschland, Pakistan 2012, 85 Minuten, OmU

Inhalt

Der Film spielt im Jahr 2007, zur Zeit der Rückkehr der ehemaligen Premierministerin und Oppositionspolitikern Benazir Bhutto aus dem Exil. Er handelt von einer jungen Frau aus der unteren Mittelschicht, die, allen gesellschaftlichen und familiären Widerständen zum Trotz, für ihren Traum von einer Model-Karriere und damit für ein selbstbestimmtes Leben kämpft.

Rafina lebt mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder Rehan in Karatschi, der größten Stadt Pakistans. Ihre Nachbarin Rosie und deren Sohn Arif sind enge Freunde der Familie. Während Rafinas Mutter sie gerne so bald wie möglich verheiraten möchte, hat Rafina  ganz andere Träume: Sie will arbeiten, Geld verdienen und die Welt sehen – und all dies möglichst als Model, so wie die Frau auf dem großen Werbeplakat auf dem Hausdach gegenüber, das Rafina jeden Tag betrachtet. Das Plakat stellt für Rafina Sehnsucht und Ansporn zugleich dar, ihren Traum anzugehen. Also lernt sie in ihrer Freizeit Englisch und überredet Rosie, die im Schönheitssalon einer Modelagentur als Kosmetikerin arbeitet, ihr dort einen Job zu beschaffen. Sehr zum Missfallen von Rafinas Mutter nimmt Rosie sie eines Tages mit zu ihrer Arbeitsstelle. Auf ihr Wort hin wird Rafina, die über keine berufliche Ausbildung verfügt, tatsächlich als Rosies Assistentin eingestellt. Rafinas Mutter, die mittlerweile eine Verlobung zwischen Rafina und Arif arrangiert hat, ist darüber nicht sehr glücklich. Doch Rosie setzt sich auch hier für Rafina ein, und so bekommt sie von ihrer Mutter die Erlaubnis, bis zur Hochzeit zwei Monate lang arbeiten gehen zu dürfen.

Im Salon taucht Rafina in eine ihr völlig neue Welt ein. Die modernen, weltgewandten Frauen der Oberschicht, die ihn frequentieren, und das geschäftige Treiben in der Agentur faszinieren sie und bestärken ihren Traum von einer eigenen Modelkarriere. Als sie eines Tages während eines Agentur-Meetings Tee serviert, fällt sie einem Kunden ins Auge, der für eine Werbekampagne ein neues Gesicht sucht. Nach einem Probe-Shooting  wird sie nicht nur für die Kampagne engagiert, sondern auch in die Datei der Agentur aufgenommen. Dies führt nicht nur zum Streit mit ihrer Mutter, es bringt sie auch in Konflikt mit Arif, der der Welt der Oberschicht und der Fashion-Industrie mit Misstrauen begegnet. Nicht nur ist diese ihm völlig fremd, er hat auch andere Vorstellungen von einer gemeinsamen Zukunft. Für ihn steht fest, dass Rafina nach der Hochzeit nicht mehr arbeiten wird. Rafina wiederum missfällt Arifs politischer Aktivismus für Benazir Bhuttos Pakistanische Volkspartei (Pakistan Peoples Party, PPP), von dem auch Rosie in Anbetracht der Gefahren, denen er sich dadurch in der von politischer Gewalt gebeutelten Stadt aussetzt, wenig begeistert ist.

Während es im Zuge der Rückkehr von Benazir Bhutto auf den Straßen Karatschis zunehmend brodelt, nimmt Rafinas Karriere weiter an Fahrt auf. Als der ihr sehr zugetane Agenturchef Jamal sie von einer Party nach Hause fährt, flippt Arif vor Eifersucht aus und fordert sie auf, sich zwischen dem Beruf als Model und der Ehe mit ihm zu entscheiden. Als es kurze Zeit später zu einem Bombenangriff auf den Konvoi von Benazir Bhutto kommt, wird Arif wegen seines politischen Engagements verhaftet. Rafina kümmert sich um die unter Schock stehende Rosie und entdeckt dabei ein altes Foto von ihr, ein Porträt, auf dem Rosie einen Schleier trägt, den sie sie keck lüftet.

Um sie abzulenken nimmt Rafina Rosie am Tag einer wichtigen Modenschau mit in die Agentur. Dort bricht Rosie zusammen und stirbt. Ihre Chefin überredet Rafina dazu, die Modenschau trotzdem zu bestreiten und verspricht ihr, dass sie rechtzeitig zur Beerdigung von Rosie am Abend wieder zu Hause sein wird. Während die Nachbarn um Rosie trauern, wird Rafinas Auftritt auf der Modenschau ein großer Erfolg. Weil sie anschließend  mit wichtigen Kunden sprechen soll,  kann sie ihr Versprechen nicht einhalten.  Die Bestattung ist bereits vorbei, als sie von Jamal, der nichts von Rosies Tod wusste, nach Hause gefahren wird. Als sie sich zu den Trauernden in Rosies Wohnung setzen will, wirft Arif sie wütend hinaus. Rafina will mit ihm reden, doch er entzieht sich ihr und begibt sich stattdessen auf eine Wahlveranstaltung der PPP. Dies besiegelt das Ende ihrer Verlobung.

Auf dem Dach gegenüber wird ein neues Plakat angebracht: Ein Bild von Rafina aus ihrer Werbekampagne. Für sie geht damit ein Traum in Erfüllung. Doch Rafinas Freude währt nur kurz: Religiöse Fanatiker, für die das Bild einer Frau in westlicher Kleidung ein Affront ist, brennen ihr Gesicht aus dem Plakat. Rafina beschließt daraufhin, das Foto, auf dem Rosie den Schleier von ihrem Gesicht hebt, in der Stadt zu verteilen, und als Poster aufzuhängen – als Aktion des Widerstandes, vor allem aber als Hommage an Rosie. Als erfolgreiches Model wird Rafina in eine Fernsehshow eingeladen, um über die Beweggründe ihrer Aktion zu sprechen.

Am Ende des Films verlässt Rafina gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder die alte Wohnung. Am Steuer ihres eigenen Autos fährt sie ihre Familie in ein neues Zuhause in einem anderes Viertel von Karatschi. Für Rafina beginnt nun endgültig der Start in ein neues, selbstbestimmtes Leben.

Zum Film

Die in Karatschi lebende Regisseurin Sabiha Sumar studierte zunächst Film und Politik in den USA und später Geschichte und Politik in Cambridge. Sie drehte mehrere Dokumentarfilme und legte 2003 mit „Khamosh Pani“ ihren ersten Spielfilm vor. Der Film fand international große Beachtung und erhielt mehrere Auszeichnungen, unter anderem den Goldenen Leoparden für den besten Film auf dem Filmfestival in Locarno. „Good Morning Karachi“, der auf der Novelle „Rafina“ der pakistanischen Schriftstellerin Shandana Minhas basiert, ist ihr zweiter Spielfilm.

Der Film beginnt mit einer Szene, in der aufgebrachte religiöse Eiferer vor einem Werbeplakat, auf dem eine junge Frau zu sehen ist, Slogans skandieren. Rafina beobachtet die aggressive Menge, bedeckt still ihren Kopf und geht weiter. Am Ende des Films sieht man die Szene noch einmal in einer längeren Version, und nun wird klar, dass es sich bei der Frau auf dem Plakat um Rafina handelt. Schon diese erste Szene, die quasi den Rahmen des Films bildet, weist auf das zentrale Thema des Films hin: Das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne und der Clash unterschiedlicher Wertvorstellungen und Ideen über den Platz von Frauen in der Gesellschaft.

Die von Tradition geprägte Lebensrealität der unteren Mittelschicht, aus der Rafina stammt, und die der westlich orientierten Oberschicht erscheinen völlig voneinander losgelöst, polare Gegensätze ohne Berührungspunkte. Sie haben sogar ihre eigene Sprache: Während in Rafinas Viertel Urdu gesprochen wird, unterhält sich die Oberschicht durchweg auf Englisch. Die Gegensätzlichkeit dieser beiden Welten wird durch die ihnen zugeordneten Räume und ihre Inszenierung  weiter unterstrichen. Die Wohnung, in der Rafina mit ihrer Familie lebt, wirkt eng, dunkel und stickig. Die Räumlichkeiten der Schönheitssalons und der Agentur sind dagegen weitläufig, hell und lichtdurchflutet. Immer wieder streift die Kamera durch die Straßen von Rafinas Viertel, die fast ausschließlich von Männern bevölkert sind. Die wenigen Frauen, die sich durch die Straßen bewegen, sind verschleiert. Während Männer den öffentlichen Raum bestimmen – man sieht sie etwa beim Barbier oder beim gemeinschaftlichen Fernsehen vor einem Laden – sind Frauen auf den privaten Raum beschränkt. Man sieht sie an Fenstern und auf Balkonen, von denen aus sie das Treiben auf der Straße mitunter beobachten, ohne jedoch daran teilzunehmen. In der Welt der Oberschicht gibt es dagegen keine soziale Trennung der Geschlechter. Frauen arbeiten hier gemeinsam mit Männern, auch in Führungspositionen, und auch auf Partys mischen sich Frauen und Männer ganz selbstverständlich, unterhalten sich, tanzen miteinander. Die Kluft zwischen diesen beiden Welten scheint fast unüberbrückbar.

Rosie ist das Bindeglied zwischen ihnen, die Mittlerin. Durch ihre Arbeit hat sie Einblick in die Welt der Reichen, durchschaut diese auch und lehrt Rafina, wie sie aufzutreten hat, um von ihr zu profitieren. Obwohl sie denselben sozialen Hintergrund hat wie Rafinas Familie, ist sie progressiv und offen, versteht Rafinas Träume und versucht, sie zu unterstützen. Denn Rafinas Mutter und Arif haben nicht nur kein Verständnis für Rafinas Ambitionen, für sie ist es schlicht unvorstellbar, dass eine junge Frau andere Wünsche haben könnte, als Ehefrau und Mutter zu sein. Besonders Rafinas Mutter fürchtet um den Ruf ihrer Tochter und der Familie; beide legen ihr Steine in den Weg,  durch Verbote, durch Entmutigung oder durch moralische Erpressung.

Doch Rafina ist kein Opfer, keine Gefangene ihres Schicksals, sie nimmt es vielmehr selbst in die Hand. Sie ist willensstark, selbstbewusst und ehrgeizig. Sie will unbedingt Teil der modernen, freien und glamourösen Welt sein, die das Werbeplakat auf dem gegenüberliegenden Hausdach für sie symbolisiert. Und sie setzt alles daran, um diesen Wunsch in die Tat umzusetzen: Mit der englischen Sprache eignet sie sich, noch bevor sie eine konkrete Chance dazu bekommt, ein wichtiges Instrument an, um sich in der Modewelt bewegen zu können. Hartnäckig bittet sie Rosie, ihr einen Job im Schönheitssalon zu besorgen. Und auch als sie diesen schließlich bekommt, verliert sie ihr Ziel nicht aus den Augen. Nicht nur nutzt sie jede Chance, um auf ihr Potential als Model aufmerksam zu machen, sie tritt auch in Honorarverhandlungen selbstbewusst auf. Der Film ist dabei stets auf Augenhöhe mit Rafina – er erzählt ihre Geschichte erfrischenderweise durchweg aus ihrer Perspektive.

Bemerkenswert ist auch der Blick des Films auf die Oberschicht, die in südasiatischen Filmen oft holzschnittartig als moralisch verkommen, versnobt und kaltherzig dargestellt wird. In „Good Morning Karachi“ stellt sie zwar eindeutig eine eigene, elfenbeinturmartige Welt dar, die vom Alltag der meisten Bewohner der Stadt weitgehend abgeschnitten ist. Doch Sabiha Sumar zeigt vor allem die Modebranche als ein offenes Umfeld, in dem Frauen mit Respekt behandelt werden und Männer, wie Agenturchef Jamal, um den schwierigen Stand der Frauen im Land wissen, und ihre Gleichberechtigung betonen. Obwohl Rafina eine völlig andere soziale Herkunft hat, stößt sie hier weitestgehend auf großes Wohlwollen. Sie wird ermuntert, unterstützt und man versichert ihr, dass ihr alle Türen offen stehen. „Good Morning Karachi“ ist insofern auch eine Geschichte über den sozialen Aufstieg, den neue Industrien wie die Medien- oder die Modebranche jungen Menschen in Pakistan ermöglichen.

Der Arbeitstitel des Films lautete zunächst wie die Novelle, auf der er basiert, „Rafina“. Der Titel „Good Morning Karachi“ weist darauf hin, dass es im Film um mehr als nur Rafinas Geschichte geht. Er handelt auch von der Stadt Karatschi. Über den gesamten Film hinweg sind immer wieder Ausschnitte aus Radiosendungen zu hören - der Titel „Good Morning Karachi“ bezieht sich auf eine Radioshow, die Rafina jeden Tag hört - oder flimmern im Hintergrund Nachrichtensendungen auf Fernsehbildschirmen. Die Sendungen berichten über Vorkommnisse, die Lage und die vorherrschenden Stimmung in Karatschi und bilden dabei eine zweite narrative Ebene, die von der Stadt selbst handelt. Die darüber vermittelten Informationen setzen zudem Arifs politisches Engagement für die Pakistanische Volkspartei in einen Kontext. Wie Rafina träumt auch Arif von einem besseren Leben. Während sie dieses als Model erreichen möchte, wählt er den Weg des politischen Aktivismus, und schließt sich der Partei von Benazir Bhutto an - eine Entscheidung, die im von politischer Gewalt bestimmten Karatschi nicht ungefährlich ist und daher von seiner Mutter und Rafina missbilligt wird.

Im Oktober 2007 kehrt die Oppositionspolitikerin und ehemalige Premierministerin Benazir Bhutto nach sechs Jahren Exil in Dubai nach Pakistan zurück, um bei den im folgenden Jahr stattfindenden Parlamentswahlen erneut zu kandidieren. Sie landet in Karatschi, wo sie von einer jubelnden Menschenmenge empfangen wird. Auf ihrem Weg in die Stadt kommt es zu einem blutigen Bombenanschlag, bei dem Bhutto zwar unverletzt bleibt, doch über 100 Menschen sterben. Zwei Monate später, am 27. Dezember 2007, kommt Benazir Bhutto während einer Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Rawalpindi durch ein Attentat ums Leben.

Die Radiosendungen und Fernsehnachrichten geben der Filmhandlung einen zeitlichen Kontext und Rafinas Geschichte einen politischen Bezugsrahmen. Als parallele Erzählung über Karatschi funktionieren sie jedoch nur bedingt. Zwar bildet Arifs Geschichte - sein Aktivismus, seine Verhaftung und seine Behandlung im Gefängnis - eine weitere Facette der Lebenswirklichkeit in der Stadt  ab, doch geht diese im Film letztlich etwas unter.

Ein wirkliches Gefühl für die Stadt und die dort herrschende Stimmung vermitteln vielmehr die atmosphärisch dichten Bilder – man meint, Karatschi fast riechen und schmecken zu können.

Karatschi

Die Megacity Karatschi ist die größte Stadt Pakistans, einem Land, das unterschiedlichen Schätzungen zufolge 175 bis 195 Millionen Einwohner hat.

Sie liegt am Arabischen Meer in der Provinz Sindh. Da sie rasant anwächst, schwanken auch hier die Angaben über ihre Einwohnerzahl sehr; die Schätzungen liegen zwischen 13 und 20 Millionen. Als einzige Hafenstadt des Landes ist Karatschi die wichtigste Wirtschafts- und Industriemetropole Pakistans und gilt als seine multiethnischste und multikulturellste Stadt: Neben Sindhis und Nachfahren von Migranten aus der Gangesebene, den sogenannten „Mohajirs“, lebt hier auch eine große Anzahl von Punjabis und Paschtunen.

Nach der Teilung Britisch-Indiens 1947 und der damit einhergehenden Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien wurde Karatschi die Hauptstadt des neugegründeten Staates Pakistan, bis sie diesen Status 1958 zunächst an Rawalpindi und dann an das neu erbaute Islamabad verlor. Im Zuge der Migrationsströme, die auf die Teilung folgten – Hindus migrierten aus Pakistan nach Indien, Muslime aus Indien nach Pakistan – wuchs Karatschi quasi über Nacht nicht nur stark an, auch die Demographie der Stadt veränderte sich grundlegend: 40% aller indischen Migranten, die nach der Teilung nach Pakistan kamen, siedelten sich in Karatschi an. Die meisten stammten aus Delhi und der nordindischen Gangesebene und brachten ihre Kultur und mit Urdu auch ihre Sprache mit. Die „Mohajirs“ bildeten nun nicht nur die neue Elite der Stadt, sondern auch die Elite des neuen Staates und erhoben Urdu zu dessen Landessprache. Anfang der 1940er Jahre hatte noch eine Mehrheit der Bewohner Karatschis Sindhi als ihre Muttersprache angegeben, zehn Jahre später war die weitverbreitetste Muttersprache der Stadt bereits Urdu. Im gleichen Zeitraum wuchs die Stadt um ein dreifaches ihrer Größe an.

Zwar gilt Karatschi als „City of opportunity“, doch ist sie seit Jahrzehnten von gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägt. Diese mitunter sehr brutal ausgetragenen Konflikte liegen  zum Teil in diesem immensen demographischen Wandel begründet. Seit den ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Studenten in den 1970er-Jahren – ein erster Sprachkonflikt zwischen Urdu- und Sindhi-Sprechern, dem etwas später Ausschreitungen zwischen progressiven und islamistischen Studenten folgten - ist die Stadt nie wieder ganz zur Ruhe gekommen. Die Konflikte sind vielfältig, wobei viele zusammenhängen bzw. sich überlappen: Zusammenstöße zwischen Anhängern verschiedener Parteien, ethnische Unruhen, religiös motivierte Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten. Dazu kommen Gewaltverbrechen der organisierten Kriminalität, politische Morde und Polizeigewalt. Eine nicht unbedeutende Rolle für die Gewalteskalationen spielen dabei die politischen Parteien, insbesondere die MQM (Muttahida Qaumi Movement). Die säkulare Partei sieht sich vor allem als Repräsentantin der Interessen der „Mohajirs“ und ist nun seit mehreren Jahrzehnten die wichtigste politische Kraft in Karatschi; sie gilt als besonders brutal im Umgang mit politischen Gegnern. Als zweiteinflussreichste Partei der Stadt gilt die ebenfalls säkulare, links von der Mitte zu verortende PPP (Pakistan Peoples Party/Pakistanische Volkspartei).

Trotz der Gewalt florieren in Karatschi die kreativen Industrien wie die Medienbranche. Seit dem Aufkommen des Privatfernsehens Anfang der 2000er-Jahre, haben sich in der Stadt viele private Sender (u.a. MTV Pakistan) und Produktionsfirmen niedergelassen. Die mehrteiligen Fernsehdramen, mit denen sie sich einen Namen gemacht haben, erfreuen sich auch außerhalb Pakistans, etwa in Indien oder auch in den arabischen Ländern, großer Popularität. Diese Entwicklung bleibt auch im Nachbarland Indien nicht unbemerkt, was dazu führt, dass Stars des pakistanischen Kinos und Fernsehens immer öfter Rollen in Bollywoodfilmen angeboten bekommen. Ein Beispiel hierfür ist Fawad Afzal Khan, der unter anderem durch die Serie “Zindagi Gulzar Hai“ bekannt wurde, welche durch ihre starken weiblichen Figuren besticht.

Karatschi ist zudem das Zentrum der pakistanischen Modeindustrie, die seit einigen Jahren einen steten Aufschwung erlebt. 2008 wurde in der Stadt erstmalig eine Modewoche organisiert, die „Karachi Fashion Week“. Sie findet seither jährlich statt,  und ist so erfolgreich, dass man nun auch in Lahore und Islamabad Modewochen veranstaltet. In der pakistanischen Modeindustrie sind überwiegend Frauen tätig.  Sie arbeiten nicht nur als Model, wie beispielsweise Amna Ilyas, die Darstellerin der Rafina. Sie dominieren, oft in Führungspositionen, auch in anderen Bereichen der Branche und arbeiten etwa als Designerinnen, Modejournalistinnen, Einkäuferinnen oder Fotografinnen. Die wichtigsten Modeschulen des Landes, das staatliche „Pakistan Institute of Fashion and Design“ in Lahore und sein Ableger in Islamabad, das „College of Fashion and Design“, werden ebenfalls von Frauen geleitet. Auch unter den Studierenden gibt es einen großen Anteil an Frauen, die nach ihrer Ausbildung in der boomenden Industrie Arbeit finden können.

Pakistans Filmindustrie

Schon zu britischen Kolonialzeiten wurden auf dem Gebiet des heutigen Staates Pakistan Filme produziert. Lahore war das Zentrum der punjabisprachigen Filmindustrie in Britisch-Indien. Nach der Unabhängigkeit und der Teilung Britisch-Indiens in die Staaten Pakistan und Indien, in deren Folge auch berühmte Akteure der Filmindustrie in Bombay, wie die berühmte Schauspielerin und Sängerin Noor Jahan, nach Pakistan auswanderten, wurde Karatschi zur wichtigsten Filmstadt des neuen Landes. 1948 kam mit dem Streifen „Teri Yaad“ der erste in Pakistan produzierte Film in die Kinos.

Die 1960er- und 1970er-Jahre gelten als die goldene Ära des pakistanischen Films. Im Schnitt produzierten die Studios 200 Filme pro Jahr, vor allem sogenannte Urdu Socials - urdusprachige Filme über zeitgenössische Themen, in denen die großen Stars jener Zeit, wie Mohammad Ali, Waheed Murad, oder Noor Jahan, zu sehen waren. Die Filme orientierten sich in ihrer Machart an der südasiatischen Erzähl-, Performance- und somit auch Filmtradition, und beinhalteten daher Gesang und Tanz.

Ende der 70er-Jahre begann der langsame Niedergang des pakistanischen Kinos. Als Gründe hierfür gelten, wie in vielen Ländern, das Aufkommen des Videorekorders, aber auch die zunehmende Islamisierung des Landes unter Präsident Zia-ul-Haq. Während die Filmindustrie in Karatschi langsam zum Erliegen kam und die Urdu Socials aus den Kinos verschwanden, blühte das Filmschaffen in Lahore auf. Die punjabisprachigen Actionfilme, die hier produziert wurden, waren zunächst sehr erfolgreich, doch die Gewalt in den Filmen schreckte das Mittelschichtspublikum ab. Nach und nach sanken folglich auch hier die Zuschauerzahlen, was die Schließung vieler Kinos nach sich zog. Dies wirkte sich wiederum auf die Anzahl und die Qualität der Produktionen aus. Ende der 1990er-Jahre wurden nur noch rund 80 Filme pro Jahr hergestellt. Dabei handelte es sich überwiegend um qualitativ unterdurchschnittliche B-Movies, mit dem Ergebnis, dass das Publikum es vorzog, sich zu Hause Hollywoodfilme anzusehen, oder illegale Videokopien indischer Filme, deren Import verboten war. Anfang des neuen Jahrtausends lag die einst so produktive Filmindustrie Pakistans im Prinzip brach.

Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts wagen unabhängige Filmemacher einen Neuanfang und versuchen, trotz fehlender Infrastruktur, fehlenden Fachkräften und einer misstrauischen, ausbremsenden Kulturpolitik, qualitativ hochwertige Filme jenseits der traditionellen Machart zu drehen. Oft geht dies nur mit ausländischen Geldern, wie im Fall von Sabiha Sumars erstem Spielfilm „Khamosh Pani“, der 2003 einer der ersten Filme dieser neuen Welle pakistanischer Produktionen war.

2005 wurde nach 40 Jahren das  Importverbot für indische Filme aufgehoben. Neu eröffnete Kinos sowie steigende Zuschauerzahlen geben dem neuen pakistanischen Film weiteren Auftrieb, sodass in den vergangen Jahren unter anderem so unterschiedliche Filme wie die sozialkritischen Dramen „Khuda Ke Lie“ (2007) und „Ramchand Pakistani“ (2008), der Slasher-Film „Zibahkhana“ (2007) oder der Thriller „Waar“ (2013) entstanden sind.

„Good Morning Karachi“ kam in Pakistan am 1. Januar 2015 in mehreren Städten in die Kinos und lief einen ganzen Monat lang, was für einen pakistanischen Film in der von Bollywood-Filmen dominierten Kinolandschaft des Landes ein beachtlicher Erfolg ist.

Didaktische Hinweise

  • Zum Verständnis des Films bietet sich im Vorfeld eine Beschäftigung mit dem Land Pakistan an, ein Staat, der hierzulande vor allem im Zusammenhang mit Terrorismus wahrgenommen wird. Dies ist zwar nicht zwingend notwendig, um Rafinas Geschichte folgen zu können, doch kann sie mit entsprechenden Vorkenntnissen besser eingeordnet werden. Was weiß man über Pakistan? Wo liegt es? Mit welchen Problemen hat das Land zu kämpfen (Armut, soziale Ungleichheit, Gewalt)?
  • Für ältere Schülerinnen und Schüler eignet sich darüber hinaus eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Landes: Die Entstehung Pakistans, der die Vorstellung von einer Religionsgemeinschaft als einer Nation zu Grunde liegt, die Teilung Britisch-Indiens und der darauffolgende Bevölkerungsaustausch zwischen Pakistan und Indien sind ein wichtiger Teil der Geschichte Südasiens, einer der bevölkerungsreichsten Regionen der Welt. Sie wirken bis in die heutige Zeit hinein, vor allem im Hinblick auf das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Atommächten Indien und Pakistan, und beinhalten Themen, die hochaktuell sind, wie Religionskonflikte, Flucht, Migration und die Frage nach nationaler Identität.
  • „Good Morning Karachi“ erzählt die Geschichte einer Frau aus einer konservativen, traditionellen Gesellschaft, die zielstrebig ihren eigenen Weg geht. Wie ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen? Welche Rollen werden Frauen zugedacht? Wie steht Rafinas Bruder, wie ihr Verlobter Arif zu ihren Ambitionen?
  • Wie rechtfertigt Rafina ihren Wunsch, ihr Leben anders zu gestalten?
  • Wie Rafina träumen auch hier viele Mädchen und junge Frauen von einer Modelkarriere, vor allem im Zuge der Popularität von Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“.
  • Warum will Rafina Model werden? Welche Träume hat sie? Verbindet sie mit einer Modelkarriere dieselben Hoffnungen und Träume wie junge Frauen hierzulande? Verbindet sie damit noch andere Dinge? Inwiefern unterscheiden sich Rafinas Erfahrungen in der Modewelt zum Leben in ihrem alltäglichen gesellschaftlichen Umfeld?

Literatur- und Medienhinweise

  • AYESHAS SCHWEIGEN (SILENT WATERS / KHAMOSH PANI)
    Sabiha Sumar, BRD/Pakistan 2003, 99 Min., f., Spielfilm, Video
  • PAKISTAN. LAND DER EXTREME
    Katja Mielke und Conrad Scheffer, C. H. Beck, 2013
  • KARACHI. ORDERED DISORDER AND THE STRUGGLE FOR THE CITY
    Lauren Gayer, Oxford Univ. Press, 2014
  • http://www.welt-sichten.org/artikel/3890/ein-staat-der-dauerkrise
  • http://www.giga-hamburg.de/de/system/files/publications/gf_nahost_0801.pdf

Autorin: Sonja Majumder
April 2014

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