Teaser
Einmal im Leben ins Kino

Dokumentarfilm von Alice Schmid
Schweiz 1998, 26 Min., Dokudrama

Inhalt

Triwheni bekommt am Dorfrand unter einem Baum die Haare geschnitten. Eine Kinderstimme erzählt dazu, wie der Friseur den Vater überredet hat, ihn und seinen Freund Mohan in die Stadt gehen zu lassen. Dort gibt es Arbeit für die Jungen und die Gelegenheit, oft ins Kino gehen zu können. Der Vater bekommt eine Vorauszahlung für die Arbeit seines Sohnes; alle Kinder beneiden die beiden Jungen um die Möglichkeit, den Ort zu verlassen. Am Dorfrand übergibt der Friseur die Jungen einem Fremden, der mit ihnen zwei Tage lang durch Indien reist. Die Endstation liegt etwa tausend Kilometer vom Heimatdorf entfernt im sogenannten Teppichgürtel von Mirzapur und ist ein dunkler Raum, in dem acht Kinder für einen Mann namens Lurga unter sklavenähnlichen Bedingungen Teppiche knüpfen.
Die beiden Freunde sitzen an einem Knüpfrahmen und werden von Dasra, einem anderen Jungen in die Arbeit des Teppichknüpfens eingewiesen. 2 Fäden, ein Knoten; 10 Knoten, ein Muster. Die Fäden müssen dicht hinter dem Knoten abgeschnitten werden. Dies ist für die Kinder gefährlich, da sie sich dabei oft schneiden. Ihr Arbeitgeber Lurga stoppt das Bluten der Fingerkuppen indem er Schwefel abbrennt. Vier Mädchen und vier Jungen sitzen sieben Tage die Woche in gebückter Haltung vor den Knüpfrahmen, ihr Arbeitstag beginnt meistens um vier Uhr früh. Man sieht ihre kleinen Finger knüpfen, schneiden und Fäden einfügen, man hört sie husten. Sie sind beim Essen zu sehen, das schlecht ist und ihnen nicht nur keine Kraft gibt, sondern körperliche Beschwerden verursacht.
Triwheni erzählt, dass Dasra von Lurga so geschlagen wird, dass er an den Folgen stirbt. Die kranke Sabita wird einfach weggeschickt, niemand weiß, wohin sie gegangen ist. Am nächsten Tag steht ein neues Mädchen da.
Einmal versuchen Triwheni und Mohan zu fliehen, sie werden wieder eingefangen und müssen als Strafe ein unmögliches Arbeitspensum bewältigen. Als sie dies nicht schaffen, schneidet Lurga mit dem Teppichmesser in Triwhenis Knie.
Drei Jahre dauert das Martyrium der beiden Jungen. In dieser Zeit knüpft Triwheni nach eigener Schätzung etwa zwanzig Teppiche. Dann werden die Kinder befreit.
Eingeleitet und beendet wird der Film durch Bilder des 1998 veranstalteten Global March, bei dem zahlreiche Kinder und Erwachsene gegen die Ausbeutung von Kindern protestierten.
Der indische Menschenrechtsaktivist Kailash Satyarti von der South-Asian Coalition on Child Servitude (SACCS) sagt am Ende: "Unser Traum ist sehr einfach. Kein Kind soll mehr in der Landwirtschaft, in kleinen Betrieben oder Fabriken arbeiten müssen. Alle Kinder sollen spielen, lernen und ihre Kindheit genießen können. Deshalb protestieren wir."

Zum Film

Alice Schmid hat zur Darstellung des Problems der Kinderarbeit die Form des Dokudramas gewählt. Der Junge Triwheni erzählt seine Geschichte und spielt sie gleichzeitig nach. Der Film zeigt in eindringlichen Bildern den Arbeitsalltag der Kinder, die Gewalt, das Nichtvorhandensein von dem, was wir unter Kindheit verstehen. Die Regisseurin beschränkt sich auf diesen Problemkreis und widersteht der Versuchung, allzu viel über gesellschaftliche Zusammenhänge mitteilen zu wollen. Sie verzichtet auch darauf, die Befreiungsaktion der Kinder nach drei Jahren in spektakulären Bildern zu zeigen. Die wiedergewonnene Freiheit und das damit verbundene Glücksgefühl der beiden Freunde vermittelt sie, indem sie die beiden voller Lebensfreude durchs Wasser schwimmend zeigt. Der zu Beginn und am Schluss des Filmes dargestellte Global March lässt erkennen, dass sich nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder selbst an den Protesten gegen ausbeuterische Kinderarbeit beteiligen.

Hintergründe

Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf arbeiten weltweit etwa 300 Millionen Kinder, genaue Zahlen sind unbekannt. Ein 1991 von UNICEF herausgegebener Bericht nennt für Indien die Zahl von 75 Millionen Kinderarbeitern zwischen 6 und 11 Jahren.
Es gibt eine Reihe internationaler Übereinkommen gegen Kinderarbeit, so unter anderem in der UN-Kinderrechtskonvention den Artikel 32, der folgendes festlegt:
Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes an, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt und nicht zu einer Arbeit herangezogen zu werden, die Gefahren mit sich bringen, die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder soziale Entwicklung schädigen könnte.
Die Vertragsstaaten treffen Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um die Durchführung dieses Artikels sicherzustellen. Zu diesem Zweck und unter Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen anderer internationaler Übereinkünfte werden die Vertragsstaaten insbesondere:

  • ein oder mehrere Mindestalter für die Zulassung zur Arbeit festlegen;
  • eine angemessene Regelung der Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen vorsehen;
  • angemessene Strafe oder Sanktionen zur wirksamen Durchsetzung dieses Artikels vorsehen.

Die Länder, in denen die meisten Teppiche geknüpft werden, haben diese Konvention ratifiziert; Indien (1992), Pakistan (1990) und Nepal (1990).
Darüber hinaus gibt es in den meisten Ländern nationale Gesetze, die Kinderarbeit verbieten. Diese gesetzlichen Verbote bewirken allerdings auch, dass arbeitende Kinder keine Arbeitnehmerrechte haben.
Der Großteil der Kinderarbeit findet im sogenannten informellen Sektor statt, oft im Familien- verband. Ein weiteres Merkmal der Kinderarbeit ist ihre Unsichtbarkeit.
Kinder werden beschäftigt weil sie billig sind, sich nicht wehren können und leicht zu disziplinieren sind. Trotzdem gibt es Kinder, die arbeiten wollen und sich dadurch ihren Schulbesuch finanzieren sowie ihre Familie unterstützen. 

Kinder in der indischen Teppichindustrie

Es gibt keine genauen Zahlen, die ILO schätzte 1991, dass rund 350.000 Kinder unter vierzehn Jahren Teppiche knüpften, dazu kamen noch 70.000 Kinder, die andere Arbeiten im Rahmen der Teppichherstellung ausführten. Die Arbeitsbedingungen werden im Film realistisch beschrieben. Die Teppichherstellung existiert in Indien als Handwerk seit etwa 500 Jahren, die besten Teppiche werden jedoch nicht von Kindern, sondern von erfahrenen Knüpfern hergestellt.
Durch eine steigende Nachfrage, vor allem aus Deutschland, den USA und Italien, ist die Teppichproduktion in Indien seit Mitte der achtziger Jahre sprunghaft angestiegen. Dies hatte einen raschen Zuwachs von Kinderarbeit zur Folge. Im Gegensatz zu anderen Bereichen mit einem großen Anteil an Kinderarbeit lag in den hohen Exportraten der Teppichindustrie eine Chance zur Abschaffung von Kinderarbeit durch Sensibilisierung der VerbraucherInnen.
Darauf beruhte auch die Kampagnenidee, die Kailash Satyarti 1990 entwickelte. Er forderte in Deutschland, dem wichtigsten Importland indischer Teppiche, die Lobbyarbeit gegen Kinderarbeit zu verstärken. Noch im selben Jahr startete Brot für die Welt zusammen mit terre des hommes und später Misereor die "Kampagne gegen Kinderarbeit in der Teppichindustrie", um die Öffentlichkeit auf das schwere Los der kindlichen Teppichknüpfer aufmerksam zu machen und für Teppiche ohne Kinderarbeit zu werben. Daraus entwickelte sich die Idee des Gütesiegels ‘Rugmark’. ‘Rugmark’ ist ein Siegel für Teppiche und wird in Indien seit Ende 1995 durch unabhängige Inspektoren vergeben. Die Produzenten müssen sich verpflichten,

  • auf illegale Kinderarbeit zu verzichten,
  • den erwachsenen Knüpfern die gesetzlichen Mindestlöhne zu zahlen,
  • den Rugmarkkontrolleuren jederzeit und ohne Anmeldung alle Betriebsstätten und die notwendigen Unterlagen zugänglich zu machen.

Bis November 1998 wurden in Indien über eine Million Teppiche mit diesem Siegel ausgezeichnet. 200 Exporteure haben eine Lizenz erhalten und ließen an 21.000 Knüpfstühlen Rugmark-Teppiche herstellen. Werden bei einer Kontrolle arbeitende Kinder angetroffen, so verliert der Teppichhersteller diese Lizenz.
In Deutschland bieten inzwischen 29 Importeure solche Teppiche an. Sie verpflichten sich zu einer Lizenzgebühr von einem Prozent des Einfuhrwertes, mit denen Rehabilitationsmaß-nahmen für befreite Kinder wie Triwheni und Mohan finanziert werden. Bis Ende 1998 kamen 1,4 Millionen Mark an Lizenzgebühren zusammen, die für pädagogische, medizinische und soziale Projekte in Indien verwendet werden.
Verbraucherinnen und Verbraucher haben so die Möglichkeit, durch ihr Kaufverhalten zur Abschaffung der Kinderarbeit beizutragen.

Entwicklungsprojekte zugunsten ehemaliger Teppichkinder

Da Armut der Familien der Hauptgrund für Kinderarbeit war und ist, genügt es nicht, die Kinder zu befreien und die Familien dann ohne ökonomische Alternativen zu lassen. Um zu verhindern, dass die Kinder im nächsten ausbeuterischen Arbeitsverhältnis landen, werden im Teppichgürtel von Mirzapur Ausbildungsmaßnahmen finanziert. In 41 alternativen Schulzentren lernen über 2000 Kinder, die keine staatlichen Schulen besucht haben. Jugendliche können eine Berufsausbildung wie Fahrradmonteur, Schreiner, Schneider, Bienenzüchter u.a. absolvieren. Dazu kommen einkommensschaffende Maßnahmen für die Familien. Diese von Brot für die Welt, Misereor, terre des hommes und UNICEF in Zusammenarbeit mit der indischen Partnerorganisation SACCS finanzierten Projekte haben auch die Mobilisierung und Aufklärung der Familien und einer indischen Öffentlichkeit zum Ziel.
Auf Initiative von Kailash Satyarti startete im Januar 1998 in Manila der Global March against Child Labour, dem sich afrikanische und lateinamerikanische Gruppen anschlossen.
Gemeinsames Ziel war die Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) im Juni in Genf, wo über eine neue Konvention zur Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit beraten werden sollte, diese Konvention soll im Herbst 1999 verabschiedet werden.

Zum Einsatz des Filmes

Der Film zeigt zwar ausschließlich Kinderarbeit in der Teppichindustrie, doch können viele Details, wie z. B. die monotonen Arbeitsabläufe, die Gewalt und der Einstieg in das Arbeitsverhältnis verallgemeinert werden. Der Film kann im Zusammenhang mit der Teppichkampagne als Verbraucherinformation eingesetzt werden. Andererseits lässt sich an ihm auch Kinderarbeit als Phänomen der Modernisierung diskutieren, das heißt immer mehr Kinder geraten in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, was mit Mithelfen in der Landwirtschaft oder dem Hineinwachsen in ein von den Eltern ausgeübtes Handwerk nichts mehr zu tun hat. Kinderarbeit kann vor allem mit Kindern und Jugendlichen sowohl historisch wie auch im Vergleich mit Kinderarbeit heute in Europa diskutiert und bearbeitet werden.
Um den Titel "Einmal im Leben ins Kino" begreiflich zu machen, sollte auf die Bedeutung des Kinos in Indien hingewiesen werden. Allein in Bombay werden jährlich mehr Filme als in Hollywood produziert; Kino ist eine nationale Leidenschaft, die hilft, für wenige Stunden die eigene Misere zu vergessen.

Autorin der Arbeitshilfe: Ursula Pattberg
März 1999

Nachtrag: 2014 wurde

Ein Film von Alice Schmid
Schweiz 1998, 26 Min., Dokudrama

 

Inhalt

 

Triwheni bekommt am Dorfrand unter einem Baum die Haare geschnitten. Eine Kinderstimme erzählt dazu, wie der Friseur den Vater überredet hat, ihn und seinen Freund Mohan in die Stadt gehen zu lassen. Dort gibt es Arbeit für die Jungen und die Gelegenheit, oft ins Kino gehen zu können. Der Vater bekommt eine Vorauszahlung für die Arbeit seines Sohnes; alle Kinder beneiden die beiden Jungen um die Möglichkeit, den Ort zu verlassen. Am Dorfrand übergibt der Friseur die Jungen einem Fremden, der mit ihnen zwei Tage lang durch Indien reist. Die Endstation liegt etwa tausend Kilometer vom Heimatdorf entfernt im sogenannten Teppichgürtel von Mirzapur und ist ein dunkler Raum, in dem acht Kinder für einen Mann namens Lurga unter sklavenähnlichen Bedingungen Teppiche knüpfen.

Die beiden Freunde sitzen an einem Knüpfrahmen und werden von Dasra, einem anderen Jungen in die Arbeit des Teppichknüpfens eingewiesen. 2 Fäden, ein Knoten; 10 Knoten, ein Muster. Die Fäden müssen dicht hinter dem Knoten abgeschnitten werden. Dies ist für die Kinder gefährlich, da sie sich dabei oft schneiden. Ihr Arbeitgeber Lurga stoppt das Bluten der Fingerkuppen indem er Schwefel abbrennt. Vier Mädchen und vier Jungen sitzen sieben Tage die Woche in gebückter Haltung vor den Knüpfrahmen, ihr Arbeitstag beginnt meistens um vier Uhr früh. Man sieht ihre kleinen Finger knüpfen, schneiden und Fäden einfügen, man hört sie husten. Sie sind beim Essen zu sehen, das schlecht ist und ihnen nicht nur keine Kraft gibt, sondern körperliche Beschwerden verursacht.

Triwheni erzählt, dass Dasra von Lurga so geschlagen wird, dass er an den Folgen stirbt. Die kranke Sabita wird einfach weggeschickt, niemand weiß, wohin sie gegangen ist. Am nächsten Tag steht ein neues Mädchen da.

Einmal versuchen Triwheni und Mohan zu fliehen, sie werden wieder eingefangen und müssen als Strafe ein unmögliches Arbeitspensum bewältigen. Als sie dies nicht schaffen, schneidet Lurga mit dem Teppichmesser in Triwhenis Knie.

Drei Jahre dauert das Martyrium der beiden Jungen. In dieser Zeit knüpft Triwheni nach eigener Schätzung etwa zwanzig Teppiche. Dann werden die Kinder befreit.

Eingeleitet und beendet wird der Film durch Bilder des 1998 veranstalteten Global March, bei dem zahlreiche Kinder und Erwachsene gegen die Ausbeutung von Kindern protestierten.

 

Der indische Menschenrechtsaktivist Kailash Satyarti von der South-Asian Coalition on Child Servitude (SACCS) sagt am Ende: "Unser Traum ist sehr einfach. Kein Kind soll mehr in der Landwirtschaft, in kleinen Betrieben oder Fabriken arbeiten müssen. Alle Kinder sollen spielen, lernen und ihre Kindheit genießen können. Deshalb protestieren wir."

Zum Film

Alice Schmid hat zur Darstellung des Problems der Kinderarbeit die Form des Dokudramas gewählt. Der Junge Triwheni erzählt seine Geschichte und spielt sie gleichzeitig nach. Der Film zeigt in eindringlichen Bildern den Arbeitsalltag der Kinder, die Gewalt, das Nichtvorhandensein von dem, was wir unter Kindheit verstehen. Die Regisseurin beschränkt sich auf diesen Problemkreis und widersteht der Versuchung, allzu viel über gesellschaftliche Zusammenhänge mitteilen zu wollen. Sie verzichtet auch darauf, die Befreiungsaktion der Kinder nach drei Jahren in spektakulären Bildern zu zeigen. Die wiedergewonnene Freiheit und das damit verbundene Glücksgefühl der beiden Freunde vermittelt sie, indem sie die beiden voller Lebensfreude durchs Wasser schwimmend zeigt. Der zu Beginn und am Schluß des Filmes dargestellte Global March lässt erkennen, dass sich nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder selbst an den Protesten gegen ausbeuterische Kinderarbeit beteiligen.

Hintergründe

Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf arbeiten weltweit etwa 300

Millionen Kinder, genaue Zahlen sind unbekannt. Ein 1991 von UNICEF herausgegebener Bericht nennt für Indien die Zahl von 75 Millionen Kinderarbeitern zwischen 6 und 11 Jahren.

Es gibt eine Reihe internationaler Übereinkommen gegen Kinderarbeit, so unter anderem in der UN-Kinderrechtskonvention den Artikel 32, der folgendes festlegt:

Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes an, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt und nicht zu einer Arbeit herangezogen zu werden, die Gefahren mit sich bringen, die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder soziale Entwicklung schädigen könnte.

Die Vertragsstaaten treffen Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um die Durchführung dieses Artikels sicherzustellen. Zu diesem Zweck und unter Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen anderer internationaler Übereinkünfte werden die Vertragsstaaten insbesondere

a) ein oder mehrere Mindestalter für die Zulassung zur Arbeit festlegen;

b) eine angemessene Regelung der Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen vorsehen;

c) angemessene Strafe oder Sanktionen zur wirksamen Durchsetzung dieses Artikels vorsehen.

Die Länder, in denen die meisten Teppiche geknüpft werden, haben diese Konvention ratifiziert; Indien (1992), Pakistan (1990) und Nepal (1990).

Darüber hinaus gibt es in den meisten Ländern nationale Gesetze, die Kinderarbeit verbieten. Diese gesetzlichen Verbote bewirken allerdings auch, dass arbeitende Kinder keine Arbeitnehmerrechte haben.

Der Großteil der Kinderarbeit findet im sogenannten informellen Sektor statt, oft im Familien- verband. Ein weiteres Merkmal der Kinderarbeit ist ihre Unsichtbarkeit.

Kinder werden beschäftigt weil sie billig sind, sich nicht wehren können und leicht zu disziplinieren sind. Trotzdem gibt es Kinder, die arbeiten wollen und sich dadurch ihren Schulbesuch finanzieren sowie ihre Familie unterstützen. 

Kinder in der indischen Teppichindustrie

Es gibt keine genauen Zahlen, die ILO schätzte 1991, dass rund 350.000 Kinder unter vierzehn Jahren Teppiche knüpften, dazu kamen noch 70.000 Kinder, die andere Arbeiten im Rahmen der Teppichherstellung ausführten. Die Arbeitsbedingungen werden im Film realistisch beschrieben. Die Teppichherstellung existiert in Indien als Handwerk seit etwa 500 Jahren, die besten Teppiche werden jedoch nicht von Kindern, sondern von erfahrenen Knüpfern hergestellt.

Durch eine steigende Nachfrage, vor allem aus Deutschland, den USA und Italien, ist die Teppichproduktion in Indien seit Mitte der achtziger Jahre sprunghaft angestiegen. Dies hatte einen raschen Zuwachs von Kinderarbeit zur Folge. Im Gegensatz zu anderen Bereichen mit einem großen Anteil an Kinderarbeit lag in den hohen Exportraten der Teppichindustrie eine Chance zur Abschaffung von Kinderarbeit durch Sensibilisierung der VerbraucherInnen.

Darauf beruhte auch die Kampagnenidee, die Kailash Satyarti 1990 entwickelte. Er forderte in Deutschland, dem wichtigsten Importland indischer Teppiche, die Lobbyarbeit gegen Kinderarbeit zu verstärken. Noch im selben Jahr startete Brot für die Welt zusammen mit terre des hommes und später Misereor die "Kampagne gegen Kinderarbeit in der Teppichindustrie", um die Öffentlichkeit auf das schwere Los der kindlichen Teppichknüpfer aufmerksam zu machen und für Teppiche ohne Kinderarbeit zu werben. Daraus entwickelte sich die Idee des Gütesiegels ‘Rugmark’

‘Rugmark’ ist ein Siegel für Teppiche und wird in Indien seit Ende 1995 durch unabhängige Inspektoren vergeben. Die Produzenten müssen sich verpflichten,

auf illegale Kinderarbeit zu verzichten,

den erwachsenen Knüpfern die gesetzlichen Mindestlöhne zu zahlen,

den Rugmarkkontrolleuren jederzeit und ohne Anmeldung alle Betriebsstätten und die

notwendigen Unterlagen zugänglich zu machen.

Bis November 1998 wurden in Indien über eine Million Teppiche mit diesem Siegel ausgezeichnet. 200 Exporteure haben eine Lizenz erhalten und ließen an 21.000 Knüpfstühlen Rugmark-Teppiche herstellen. Werden bei einer Kontrolle arbeitende Kinder angetroffen, so verliert der Teppichhersteller diese Lizenz.

In Deutschland bieten inzwischen 29 Importeure solche Teppiche an. Sie verpflichten sich zu einer Lizenzgebühr von einem Prozent des Einfuhrwertes, mit denen Rehabilitationsmaß-nahmen für befreite Kinder wie Triwheni und Mohan finanziert werden. Bis Ende 1998 kamen 1,4 Millionen Mark an Lizenzgebühren zusammen, die für pädagogische, medizinische und soziale Projekte in Indien verwendet werden.

Verbraucherinnen und Verbraucher haben so die Möglichkeit, durch ihr Kaufverhalten zur Abschaffung der Kinderarbeit beizutragen.

Entwicklungsprojekte zugunsten ehemaliger Teppichkinder

Da Armut der Familien der Hauptgrund für Kinderarbeit war und ist, genügt es nicht, die Kinder zu befreien und die Familien dann ohne ökonomische Alternativen zu lassen. Um zu verhindern, dass die Kinder im nächsten ausbeuterischen Arbeitsverhältnis landen, werden im Teppichgürtel von Mirzapur Ausbildungsmaßnahmen finanziert. In 41 alternativen Schulzentren lernen über 2000 Kinder, die keine staatlichen Schulen besucht haben. Jugendliche können eine Berufsausbildung wie Fahrradmonteur, Schreiner, Schneider, Bienenzüchter u.a. absolvieren. Dazu kommen einkommensschaffende Maßnahmen für die Familien. Diese von Brot für die Welt, Misereor, terre des hommes und UNICEF in Zusammenarbeit mit der indischen Partnerorganisation SACCS finanzierten Projekte haben auch die Mobilisierung und Aufklärung der Familien und einer indischen Öffentlichkeit zum Ziel.

Auf Initiative von Kailash Satyarti startete im Januar 1998 in Manila der Global March against Child Labour, dem sich afrikanische und lateinamerikanische Gruppen anschlossen.

Gemeinsames Ziel war die Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) im Juni in Genf, wo über eine neue Konvention zur Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit beraten werden sollte, diese Konvention soll im Herbst 1999 verabschiedet werden.

Zum Einsatz des Filmes

Der Film zeigt zwar ausschließlich Kinderarbeit in der Teppichindustrie, doch können viele Details, wie z. B. die monotonen Arbeitsabläufe, die Gewalt und der Einstieg in das Arbeitsverhältnis verallgemeinert werden. Der Film kann im Zusammenhang mit der Teppichkampagne als Verbraucherinformation eingesetzt werden. Andererseits lässt sich an ihm auch Kinderarbeit als Phänomen der Modernisierung diskutieren, das heißt immer mehr Kinder geraten in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, was mit Mithelfen in der Landwirtschaft oder dem Hineinwachsen in ein von den Eltern ausgeübtes Handwerk nichts mehr zu tun hat. Kinderarbeit kann vor allem mit Kindern und Jugendlichen sowohl historisch wie auch im Vergleich mit Kinderarbeit heute in Europa diskutiert und bearbeitet werden.

Um den Titel "Einmal im Leben ins Kino" begreiflich zu machen, sollte auf die Bedeutung des Kinos in Indien hingewiesen werden. Allein in Bombay werden jährlich mehr Filme als in Hollywood produziert; Kino ist eine nationale Leidenschaft, die hilft, für wenige Stunden die eigene Misere zu vergessen.

Autorin: Ursula Pattberg
März 1999

Nachtrag: 2014 wurde Kaylash Satyarti für sein Engagement für die Kinderrechte mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

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