Dokumentarfilm von Gisela Albrecht und Angela Mai
Südafrika, Deutschland 2005, 107 Minuten und 142 Minuten, OmU
Kurze Inhaltsangabe
Der Film „Memories of Rain“ erzählt in Rückblenden die Geschichte von Jenny Cargill und Kevin Qhobosheane, die beide beim Nachrichtendienst des bewaffneten Flügels des African National Congress (ANC) in führender Position gegen den Apartheidstaat gekämpft haben. Sie stammt aus der weißen, begüterten Schicht Südafrikas, Kevin aus dem schwarzen Township Soweto. Der Weg der beiden wird gezeichnet von der Kindheit bis zum politischen Erwachen, das sie in den Untergrund und ins Exil führt. Wenn Jenny und Kevin von ihren Jahren im Untergrund erzählen, so entsteht eine Geschichte von Angst und Isolation, von Mut und Hingabe, von Erfolgen und Rückschlägen. Es ist die Geschichte eines getarnten Lebens, hinter dem die eigene Person verloren zu gehen droht. Aber sie stellen rückblickend auch Fragen an die Methoden des Widerstandskampfes. Sie berichten von Zweifeln und Schuld, denen sie sich ausgesetzt sahen, und von der Gefahr, im bewaffneten Kampf das Gefühl für Menschlichkeit einzubüßen.
Die Filmarbeiten für Memories of Rain begannen 1994 und endeten im Jahr 2004.
Ausführliche Inhaltsangabe
Hinführung
Nach dem Titel setzt der Film ein mit einem Lied aus dem Afrikaans, das die Macht des Regens beschwört, der zu einer befreienden Gewalt wird.
Die Stimme eines Mannes wird eingeblendet, der sich skeptisch zur Gegenwart (1994) äußert, in der die Vergangenheit nachbebt.
Die Erzählerin, die Filmemacherin Gisela Albrecht, macht die Absicht des Films deutlich: Eine Rückkehr in das neue Südafrika von 1994, um an die vergangene Zeit der Apartheid anzuknüpfen und die Erfahrungen der Kämpfer im Untergrund zu dokumentieren.
Die folgenden Einstellungen zeigen die Repression in den sechziger und den frühen siebziger Jahren.
Dann der Aufstand in Soweto von 1976, der Wendepunkt in der Biographie so vieler junger Südafrikaner, die heimlich ihr Land verlassen, um sich dem bewaffneten Kampf anzuschließen. Die Erzählerin verknüpft die Motivation der Filmemacherinnen mit dem Aufstand in Soweto: Sie, Gisela Albrecht, sei damals als Journalistin gekommen, um den Ausbruch des Widerstandes zu dokumentieren. Die zweite Filmemacherin, Angela Mai, selbst Südafrikanerin, habe die Verbindung zwischen der südafrikanischen Opposition und der deutschen Solidaritätsbewegung hergestellt.
Auf dem Hintergrund der Gewalt in Soweto werden die beiden Protagonisten des Films eingeführt: Kevin Qhobosheane, der 16-jährig Südafrika verließ, und Jenny Cargill, die zur selben Zeit in Durban Wirtschaftswissenschaften studierte und als Journalistin arbeitete. 1978 begegneten sich Jenny und Gisela Albrecht und befreundeten sich.
Jennys Kindheit (1966) und Kevins Kindheit (1969)
In den sich anschließenden Rückblenden wird die Kindheit von Jenny und Kevin einander gegenübergestellt: Jenny fasst im Rückblick auf ihre Kindheit zusammen, dass sie immer unter den unterschiedlichen Lebensbedingungen von Schwarzen und Weißen gelitten habe, dass das für sie, als Angehörige der reichen weißen Oberschicht, ein Motiv gewesen sei, den Kontakt zum ANC zu suchen. Kevin, der bei seinen Großeltern in Soweto aufwuchs, urteilt in Bezug auf seine Kindheit, dass sie unpolitisch gewesen sei, wohl wissend, dass man sich als Schwarzer unterordnen musste.
Politisches Erwachen (1976)
In der folgenden Sequenz über das politische Erwachen werden die Biographien der Schwarzen und der Weißen miteinander verschränkt: Jenny entdeckt den Journalismus als Möglichkeit politischen Engagements. Jennys damalige schwarze Kollegen von der Zeitung und der Gewerkschaft bezeugen, wie sie nach dem Soweto-Aufstand die Folter durchlebten. Kevin gewinnt in dieser Revolte der Jugendlichen ein Gefühl für die eigene Kraft und die Besiegbarkeit der Weißen.
Kevins Aufbruch nach Angola (1977)
Kevin verlässt, wie viele Jugendliche nach dem Soweto-Aufstand, das Land. Kevin nimmt Abschied von seiner Großmutter und bricht damit das Geheimhaltungsgebot des ANC. In den Ausbildungslagern des ANC lernen die jungen Leute ihre Wut zu bändigen und zu kanalisieren. Unterstützt wurde der ANC durch russische Militärberater, nicht durch Hilfe aus dem Westen.
Jennys Schritt in den Untergrund (1981)
Jenny und ihr Mann schließen sich dem ANC 1981 an. Im Gegensatz zu Kevin beschreiben sie ihre Arbeit im ANC als eine Zeit, in der wenig Unterweisung stattfand und in der sie selbst politische Aktivitäten zu beschließen hatten. Jenny entscheidet sich, nach Johannesburg zurückzukehren, um dort Geheimdienstarbeit für den ANC zu leisten.
Kevins Rückkehr (1983)
Kevin kehrt 1983 nach sieben Jahren Abwesenheit zurück als Kommandant einer Einheit, die für den Nachrichtendienst des ANC in Natal zuständig ist. Er ist für den bewaffneten Kampf ausgebildet worden, aber nicht vorbereitet auf den täglichen Überlebenskampf im Feindesland. Gezeigt werden die Angst, das Warten, die Bedrohung, die Einsamkeit von Kevin.
Jennys Leben im Untergrund (1983)
Bei ihrer Rückkehr muss Jenny zuerst das Misstrauen ihrer Mitkämpfer überwinden. Im Untergrund kann jeder ein Agent sein. Die Arbeit ihrer Einheit: Auskundschaftung von Militärbasen, Aufbau illegaler Fluchtwege und Herstellung geheimer Kommunikationsverbindungen. Jennys Effizienz wird von den Mitkämpfern sowohl bewundert wie belächelt. Der ANC gibt ihr und ihren Mitkämpfern den Befehl, junge Menschen auszuheben und in die Trainingslager des ANC zu schicken. Gezeigt werden in dieser Sequenz aber auch die Schattenseiten eines Lebens im Untergrund: Ständige Wachsamkeit, ständige Lüge, die Aufgabe persönlicher Beziehungen und das Unterlassen spontaner Hilfe.
Kevin in Natal (1984)
Kevin ist in Natal. Er organisiert den Nachrichtendienst des ANC. Vieles bleibt schemenhaft. Nur die Herstellung von Propagandamaterial wird beschrieben. Sein Mitkämpfer und Alter Ego ist Sifiso Kunene, ein Jugendlicher aus einem Township. Er ist nach dem Soweto-Aufstand zu Beginn der achtziger Jahre aufgewachsen. Weil Sifiso sich dem Widerstand angeschlossen hatte, wurde sein Bruder ermordet. In dieser Filmsequenz werden ein Brief von Angela Mais Urgroßvater und das Tagebuch von Sifiso einander gegenübergestellt. Angelas Urgroßvater, einer der Gründungsväter von Durban, schreibt in seinem Brief, dass wieder Krieg ausgebrochen sei zwischen den „Kaffern“ und den Siedlern und dass er keine andere Möglichkeit sehe, als alle diese „Wilden“ zu töten. In Sifisos Tagebuch steht eine Anleitung zum Bombenbau und daneben ein Liebesbrief an seine Freundin, der den Schmerz der Trennung zeigt. Auch Kevin muss sein persönliches Glück dem Kampf unterordnen.
Die Zerschlagung von Kevins Einheit (1985)
An dem Aufbau der militärischen Untergrundstruktur in Natal sind auch Doppelagenten, Verräter beteiligt: Granaten sind manipuliert, Tote, Verhaftungen, Flucht. Sifiso spielt in der Isolationshaft mit Ameisen, um nicht den Verstand zu verlieren. Bewusst versteckt sich Kevin direkt unter der Nase der Polizei, die ihn in den schwarzen Townships sucht.
Jennys Einheit in Gefahr (1984); Jenny in Berlin
Jennys Einheit wird überwacht. Sie flieht aus dem Land. Ihr Mitkämpfer Sam bleibt. Sie kommt nach Ostberlin und wird dort im militärischen Nachrichtendienst geschult. Etwa zehn Jahre später (1995) besucht Jenny mit den Filmemacherinnen das jetzt ungeteilte Berlin, und in dem aufgegebenen Ausbildungslager reflektiert sie den bewaffneten Kampf des ANC.
Jennys Exil in Zimbabwe (1987)
Nach dem Training in Ostberlin ist Jenny in der Kommandostruktur des ANC im Aufklärungsdienst in Zimbabwe. In diese Zeit fällt Jennys Burnout: Etwa acht Jahre Untergrundarbeit, Überlastung, ständige Bedrohung. Jenny ist immer weniger in der Lage, mit den Widersprüchen des ANC zu leben, der im Kampf um eine gerechte Gesellschaft die ungerechten Mittel des Feindes – Folter und Straflager – einsetzt.
Jennys Rückkehr (1990)
Das Verbot des ANC wird am 2.2.1990 (sic!) aufgehoben. Jenny erhält den Befehl, nach Südafrika zurückzukehren und mit Kevin – dies ist das erste Zusammentreffen der beiden – die Untergrundarbeit des ANC im Land selbst von Johannesburg aus aufzubauen. Gezeigt wird eine Szene, wie die beiden, als Hochzeitsgäste gekleidet, eine Waffe nach Soweto schmuggeln.
Gewalt in den Townships (1991)
Zwischen den Zulu-Wanderarbeitern und den Bewohnern der Townships bricht ein mörderischer Konflikt aus, angeheizt durch die Regierung und die Geheimpolizei, die den ANC schwächen wollen. Hinter der Gewalt steht auch das Ringen zwischen der Inkatha-Partei der Zulus und dem ANC um die politische Macht. Jenny und Kevin erinnern sich an die Überfälle in den Nächten, die Angst und die eigene Hilflosigkeit. Denn der ANC, mit Verhandlungen mit der Regierung beschäftigt, lässt die beiden allein, ohne Anweisungen, ohne Strategie. Gefangen zwischen den Fronten und selbst bedroht versucht Kevin unter Einsatz des eigenen Lebens, das Leben sogar seiner Angreifer zu bewahren. Auch Jenny leidet zunehmend an der nicht mehr kontrollierbaren Gewalt und zieht sich von der Untergrundarbeit zurück.
Der Neuanfang (1994)
Jenny braucht lange, um wieder zu sich selbst zu finden. Der Neuanfang sei für Jenny relativ einfach gewesen, kommentiert Kevin, während sein Leben im Township durch den ANC bestimmt werde, der weiterhin sein Arbeitgeber sei. Am 22. April 1994 findet die erste demokratische Wahl in Südafrika statt nach vierjährigen Verhandlungen zwischen der Befreiungsbewegung und der Regierung.
Rückblicke 1996 und 2003
1996: Durch sein Engagement im ANC wurde Kevin nicht auf den Beruf vorbereitet, den er hätte ergreifen wollen: Die Arbeit mit jungen Menschen. Sein Weg in die Normalität sei sehr schwer gewesen und er sei sich nicht sicher, ob er in der Normalität angekommen sei. Im Kontrast dazu zeigt der Film eine Wirtschaftskonferenz in Cannes, die von Jenny organisiert wurde, um Vertreter der südafrikanischen Regierung mit Vertretern der Wirtschaft zusammenzuführen. Jenny wie Kevin bejahen rückblickend ihr Engagement im ANC. Während Jenny aber glaubt, dass es in ihr nach ihrem Leben im Untergrund eine Weiterentwicklung gegeben habe, sagt Kevin aus, dass er durch den Kampf vieles verloren habe und dass die Vergangenheit ihn noch immer einhole.
2003: Stellungnahmen verschiedener Untergrundkämpfer zu Vergangenheit und Zukunft: Das Ziel einer gerechteren Gesellschaft sei noch nicht erreicht. Die Verpflichtung gegenüber den Toten verlange, das Engagement zu verstärken.
Apartheid
Apartheid heißt „Getrenntheit“. Es ist ein Afrikaans-Wort. Afrikaans ist die Sprache, die von den ersten weißen Einwanderern aus dem Holländischen entwickelt wurde. (Die zwei Silben des Wortes stammen aus dem Französischen: à part „getrennt“ und der niederländischen Endung -heid.)
Apartheid ist die gesetzliche Trennung und ungleiche Rechtsstellung von Menschen in allen Lebensbereichen aufgrund ihrer Hautfarbe. Die Apartheid diente dazu, die politischen und wirtschaftlichen Vorrechte der Weißen abzusichern. Als der Begriff in Verruf kam, wurde er durch „Getrennte Entwicklung“ oder „Multinationale Entwicklung“ ersetzt. Das System blieb das gleiche: Radikale Trennung der Rassen, politische und soziale Entrechtung der Schwarzen und Errichtung eines Polizeistaates, um einen Aufstand der schwarzen Mehrheit im Keim zu ersticken. Kernstück der Apartheid war die Homelandpolitik, die die Ausbürgerung der Schwarzen aus Südafrika in eigene Staaten zum Ziel hatte. Apartheid ist nicht nur eine rigide Beschneidung äußerer Rechte, sie hat den Schwarzen als Individuum entwürdigt. Folgerichtig erklärte deshalb die UNO Apartheid als ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
Zur Geschichte Südafrikas und zur Chronologie der Ereignisse im Film
Schwarze lebten schon viele tausend Jahre in Südafrika. Bantuvölker aus dem Norden ließen sich ab 300 n. Chr. im Transvaal nieder und drangen bis zum Jahr
1000 n. Chr. ins Ostkap vor.
1652 landete Jan van Ribeeck mit drei Schiffen und 200 Mann europäischer Besatzung in der Tafelbucht. Sie bauten eine Versorgungsstation für die Schiffe der holländischen Ostindienkompanie auf. Bald kamen mehr Bauern – Buren/Boers, wie sie im Holländischen hießen.
Sie bekamen einen „Freibürgerbrief“ und mussten auf eigene Rechnung wirtschaften. Diese Freibürger benötigten Land und Arbeitskräfte, teilweise vertrieben sie die Einheimischen oder rotteten sie aus, andere machten sie zu Sklaven.
1806 wurde das Kap englische Kolonie. Die Briten verboten den Sklavenhandel und -besitz. Die Buren, um ihre bisherige Lebensweise aufrecht erhalten zu können, zogen tiefer ins Landesinnere. Dies ging in die Geschichte als „Großer Treck“ ein. Um 1850 brachten die Gold- und Diamantfunde die Briten wieder auf den Plan.
1856 emigrierte Angela Mais Urgroßvater von England nach Natal.
In den sogenannten Burenkriegen von 1899 bis 1902 siegten die Briten.
1910 Gründung der Union Südafrika aus britischen und burischen Teilen. Zur Sicherung der Herrschaft wurden zwei entscheidende Gesetze erlassen, die später die Grundlage des Apartheidsystems bilden sollten: Das Landgesetz – land act – und die sogenannte Job-Reservierung, diese, 1911 eingeführt, sicherte den Weißen die besser bezahlte Arbeit und den alleinigen Zugang zu qualifizierten Positionen. Das Landgesetz von 1916 und 1936 reduzierte den Zugang der schwarzen Bauern auf 13% des Bodens.
1912 Gründung des South African Native Congress, des späteren Afrikanischen Nationalkongresses - ANC. Das war der Beginn des organisierten Widerstandes im 20. Jahrhundert, der im Lauf der Jahrzehnte viele Formen angenommen hat: Von Petitionen über zivilen Ungehorsam bis zum bewaffneten Kampf.
1918 Geburt von Nelson Mandela.
1920 erhielt die Union das Mandat über das ehemalige deutsche Schutzgebiet Südwestafrika.
In den vierziger Jahren bildete sich die vor allem von Buren getragene „Nationale Partei“. 1939 tritt Südafrika in den 2. Weltkrieg ein. Von 1948 - 1994 ist die politische Macht bei der Nationalen Partei. Unter ihrer Herrschaft wurde die Entrechtung der Mehrheit der Bevölkerung systematisch vorangetrieben. Ziel der Apartheid oder der „Getrennten Entwicklung“, wie sie später genannt wurde, war es, die ökonomische Ausbeutung, kulturelle Bevormundung und politische Beherrschung der schwarzen Bevölkerung durch die weiße Minderheit zu gewährleisten. Über 2000 Gesetze und Verordnungen regelten die Trennung sämtlicher Lebensbereiche von Weißen, Schwarzen, Farbigen und Indern: wer welchen Bus, welche Toilette, welche Parkbank benutzen durfte. Kernstück der Apartheid war die Homelandpolitik, die die Ausbürgerung aller Schwarzen aus dem „weißen Südafrika“ zum Ziel hatte. In dem Schwarzenwohnort Sharpville im Transvaal fand 1960 eine Polizeiaktion statt, die 69 Menschen das Leben kostete. Die unter der Regierung von H.F. Verwoerd dann verbotenen schwarzen Parteien, vor allem der ANC, reorganisierten sich im Exil, mobilisierten internationale Unterstützung und begannen den bewaffneten Kampf. 1969 gründete Steve Biko die South African Student Organisation, die mit anderen Gruppierungen in der Gesellschaft die „Schwarze Bewusstseinsbewegung“ vorantrieb. „Schwarz“ wurde die Definition für Afrikaner, „Mischlinge“ und Asiaten definiert. Die Bewegung verlangte die „Entsklavung“ und „Dekolonisation“ der Schwarzen im psychologischen Sinn, damit sie „aufrecht gehen könnten“. Die Bewegung des schwarzen Selbstbewusstseins hielt in den siebziger Jahren den Widerstand wach. 1976 brach der Aufstand der Jugendlichen in Soweto los. Monatelange Unruhen, über 500 Tote und Tausende von Exilexistenzen waren die Folge. 1977 starb Steve Biko nach Misshandlungen der Polizei im Gefängnis.
1977 geht Kevin Qhobosheane ins Exil. 1978 beginnt er in einem Militärlager in Angola seine militärische Ausbildung.
1980 arbeitet Jenny Cargill als Journalistin bei der Sunday Post. Sie heiratet Howard Barrell.
Jenny und Howard arbeiten in Zimbabwe als Auslandskorrespondenten. Sie werden Mitglieder im ANC.Jenny geht zurück nach Südafrika, um im Geheimdienst des ANC im Untergrund zu arbeiten.
Die Anfang der achtziger Jahre einsetzende wirtschaftliche Rezession wurde durch Kursverluste des Rand erheblich verstärkt. In dieser Zeit wurde die Gewerkschaftsbewegung und die Bürgerbewegung – civics – die Stütze der internen Opposition. Der stark gewordene Wider-stand und der internationale Boykott Südafrikas zwang das Apartheidsystem sich zu bewegen. Die Verfassungsänderung von 1984 brachte aber der schwarzen Mehrheit der Bevölkerung keine Beteiligung an der politischen Macht.
1983 kehrt Kevin nach Südafrika zurück. Er arbeitet 1984 für den Geheimdienst des ANC in Natal im Untergrund.
1984 Frederik de Klerk wird Präsident
1984/85 gibt es blutige Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Schwarzen. Ausnahmezustand und verstärkte wirtschaftliche Sanktionen europäischer Länder und den USA gegen Südafrika.
1984 flieht Jenny aus Südafrika, nachdem Mitglieder ihrer Einheit gefangen genommen wur-den.
Aus Kevins Einheit werden 1985 ebenfalls Mitglieder gefangen genommen, darunter Sihle Mbongwa und Sifiso Kunene. Dr. Zweli Mkhize verlässt das Land. Kevin taucht in Pat’s Motel unter, bleibt aber im Land.
1986 greift Südafrika Flüchtlinge in den Nachbarländern an.
Jenny ist in Ostberlin/DDR zur Ausbildung im Geheimdienst.
1987 Jenny arbeitet als „Commander in Intelligence and Security“ des ANC in Harare. Kevin wechselt verschiedentlich über die Grenzen des Landes.
1988 Jenny und Howard werden geschieden.
Jenny ist total ausgebrannt (burnout).
Am 11.2.1990 wurde Nelson Mandela, die Symbolfigur des Kampfes der Schwarzen gegen die Apartheid, nach 27 Jahren Gefangenschaft frei. Mit der Ankündigung seiner Freilassung hob Präsident de Klerk die Illegalität der schwarzen Parteien auf. Der African National Congress – der ANC – die Bewegung Mandelas, wurde über Nacht zur wichtigsten Partei der Schwarzen in Südafrika.
1990 kommt Jenny heimlich nach Südafrika. Kevin und Jenny arbeiten zusammen in den Townships, um herauszufinden, wer die Gewalt dort schürt.
1991 verlässt Jenny den ANC, weil sie entsetzt feststellen muss, wie dieser die Kontrolle über seine Kader verliert.
Kevin ist finanziell vom ANC abhängig und sieht keine Möglichkeit, ihn zu verlassen.
27.4.1994 wird Nelson Mandela Präsident von Südafrika auf der Basis freier Wahlen.
1999 Thabo Mbeki wird Präsident.
Die Sicht der Filmemacherinnen auf die Ereignisse
Kevin Qhobosheanes Kindheit
Mit dem Tag im Juni, an dem Hector Peterson erschossen wurde, fing es für Kevin an.
Er sei ein unpolitisches Kind gewesen, sagt er. Er hatte nicht teilgenommen an Diskussionen und Protestaktionen. Die weiße Welt hatte er fast nicht wahrgenommen.
Er war ein guter Schüler, zuhause bei seiner Großmutter ein Lieblingskind, viel in seine Bücher vertieft. Schon damals, erinnert er sich, war er zurückgezogen in sich.
Am 16. Juni lief er aus dem Klassenzimmer heraus – ohne nachzudenken den anderen Kindern hinterher, mitten ins Tränengas, und er achtete nicht darauf, dass geschossen wurde um ihn herum.
Was dann kam, lief fast automatisch ab, so, als habe er den an jenem Junitag so unerwarteten Lauf nicht mehr anhalten können.
Wenige Wochen später fand er sich im Morgengrauen mit anderen Jungen zusammen; es war noch dunkel, als er den Bus bestieg, der sie an die Grenze nach Swaziland bringen sollte. Ihm war elend, er kämpfte mit dem Brechreiz und mit seinen Tränen auch.
Er war 15 Jahre alt, in der Tasche hatte er 20 Cent, das Abschiedsgeschenk seiner Großmutter. Ihr, die er sehr liebte, hatte er, in Zuwiderhandlung des strikten Geheimhaltungsgebots, Lebewohl gesagt.
Viele Stunden später, es war wieder dunkel, zog er sich am Zaun der Grenze zu Swaziland hoch und stolperte mehr als dass er lief in die unsichere Zukunft des Untergrunddaseins.
Jenny Cargills Kindheit
Für Jenny begann der Weg in den Untergrund nicht mit einem fixierbaren Datum, einem Ereignis, nicht wie für Kevin mit dem Zusammenbruch der äußeren Welt; eher mit dem schon früh in der Kindheit erfahrenen Gefühl der Verletzbarkeit, und einer fast physisch spürbaren Sensibilität für die Verletzung anderer. Nicht politisch-intellektuelles Engagement - Empathie ist das wiederkehrende Schlüsselwort, wenn sich Jenny der eigenen Motive für ihre Teilnahme am Untergrundkampf zu vergewissern sucht.
Sie erinnert sich an Gefühle der Ungeborgenheit, an die Ahnung der Doppelbödigkeit ihrer Welt.
Chiffre dafür ist das nie vergessene Bild aus ihrer Kindheit – Pondo-Arbeiter, wie sie in Säcke gekleidet, Zuckerrohr schneiden und ihr Vater, wie er ihren darüber empfundenen Schmerz mit der „Andersartigkeit“ der Pondos weg zu erklären versucht, eine Erklärung, der sie nicht glaubt und die ihr Vertrauen erschüttert in die „Richtigkeit“ ihrer Welt.
Sie war, sagt sie, eine glänzende Schülerin ohne Vertrauen zu sich, auf der ständigen Suche, sich den eigenen Wert durch Leistung zu bestätigen, was ihr trotz hervorragender Noten nicht gelang.
Kevins Weg in den Untergrund (1976), Jennys Weg in den Untergrund (1980)
Als Kevin sich auf den Weg zur Grenze nach Swaziland machte, saß sie als Studentin der Politischen Wissenschaften in den Hörsälen der Universität von Durban; als Biko starb und sich die weißen KommilitonInnen zu Solidaritätsmärschen versammelten, hielt sie sich fern, aus Scheu vor dem demonstrativen Ritual; als Kevin in den Camps von Angola zum Untergrundkämpfer trainiert wurde, arbeitete sie in Johannesburg als begabte junge Journalistin an Südafrikas führender Wirtschaftszeitung, befreundet mit vielen radikalen und weniger radikalen Mitgliedern der linken Intelligenz. Als sie sich dem ANC anschließt, ist sie 28 Jahre alt, lebt, verheiratet mit einem südafrikanischen Kollegen, in Zimbabwe, beunruhigt über ihr Abseitsstehen, über die Entfernung vom Leiden ihres Landes.
In der Sehnsucht nach Teilnahme, mit der Hoffnung, helfen zu können, die Dinge wieder 'richtig' zu stellen, tritt sie im Herbst 1980 den Weg in den Untergrund an, in umgekehrter Richtung wie Kevin: zurück nach Südafrika.
Jennys und Kevins Begegnung (1990)
Die Begegnung zwischen Jenny und Kevin findet erst 10 Jahre später statt, im Frühjahr 1990; vom ANC beauftragt, gemeinsam in den von Gewalt erschütterten Townships Verteidigungseinheiten aufzubauen, beginnt für beide die schwerste, auch gefährlichste Phase ihres Lebens im Untergrund. Ausdrücklich ohne Rückendeckung durch den ANC (der damals gerade Verhandlungspartner für die südafrikanische Regierung wird), gewissermaßen im Zustand von Vogelfreien, ist es für sie eine zum Trauma gewordene Reise durch die von Tod und Zerstörung gezeichneten Straßen der Gettos und Squattercamps .
Alleingelassen mit der Erfahrung, dass sich in der bürgerkriegsähnlichen Gewalt die Fronten zwischen Gut und Böse zunehmend verwischen, wird – besonders für Jenny – die Gewissheit fragwürdig, ob der bewaffnete Kampf ein Weg zur Lösung der Konflikte ist.
Die Erfahrung im Untergrund
Es ist eine sehr persönliche Geschichte, die Jenny und Kevin berichten, wenn sie von den Jahren aus dem Untergrund erzählen; eine Geschichte von Angst und Isolation, von Enttäuschung und vergeblicher Anstrengung und Niederlage; vom Leben zwischen aberwitzigem Risiko und rigidem Sicherheitsbewusstsein; die Geschichte eines getarnten Lebens unter wechselnden Masken und Namen, in dem das eigene Selbst verloren zu gehen droht, ein Schattendasein buchstäblich im Hinter-Grund, in dem Freundschaft, Liebe und Familie aus dem Leben 'davor' Sicherheitsrisiko sind und Trennung gefordert wird; ein Leben, in dem man ständig auf der Hut sein und die Kontrolle behalten muss; ein Leben des Verbergens, auch des Lügens, des Verstummens und der Einsamkeit, vor allem der Einsamkeit.
Aber natürlich ist es auch die Geschichte engster Bindungen unter Gleichgesinnten, mit dem Flair und dem Pathos der auserwählten politischen Avantgarde; die Geschichte einer von feindlicher Umwelt bedrohten, einzigartigen ”comradeship”, einer in Südafrika nicht erlaubten Grenzüberschreitung zum Mitbürger mit der anderen Hautfarbe; der Beginn der Brücken über den Abgrund, des Wissens voneinander.
Und es ist die Geschichte von Abenteuer und außergewöhnlicher Intensität des Lebensgefühls, der beflügelnden Aufbruchstimmung und des revolutionären Elans, der Freude über jede gelungene Aktion; des Glücksgefühls, am uralten Menschheitstraum von Befreiung und Neugestaltung beteiligt zu sein; auch der Selbstüberschätzung vielleicht; es ist eben nicht nur die Geschichte der Angst vor dem Selbstverlust, sondern auch die uns so bekannte Geschichte einer freiwilligen und begeisterten Hingabe des 'Ich' an das Kollektiv, einer fast religiösen Hingabe an das absolut Gute der kämpfenden Bewegung, an 'the movement', wie der ANC in Zeiten des Kampfes so bezeichnend hieß.
Die rückblickenden Fragen an den bewaffneten Kampf
Und doch ist es drittens eben auch die Geschichte des spät begonnenen Nachdenkens, des Nachfragens und der Rückbesinnung auf die eigene kritische Intelligenz, der Entmythologisierung der absoluten Parolen; die Geschichte des Zerbrechens von Illusionen und zu schnellen Gewissheiten, des beginnenden Blicks auf die Realität; auch die der schrittweisen Entdeckung der Verantwortung für die eigene Integrität in Distanz zu den als sakrosankt vo-rausgesetzten Parametern des Kampfes.
Ja, vielleicht ist es das vor allem: die Wiederentdeckung des Individuums im kritischen Zusammenhang mit dem kämpfenden Kollektiv; die Geschichte des Aufwachens aus dem betäubten Glauben an die Unfehlbarkeit der Organisation, die ja nicht nur politische Emanzipation auf ihre Fahnen geschrieben hatte, nicht nur Revolte gegen die Unterdrückung, sondern den viel weitergehenden Traum von der Revolution, von der fundamentalen Veränderung der Machtverhältnisse.
Was daraus folgt, ist dann, am Ende, die Geschichte der rückblickenden Fragen; nach den Widersprüchen des Kampfes, auch nach den Widersprüchen der diesen Kampf führenden Organisation; denn wie konnte der ANC - eine militärisch geprägte Untergrundorganisation mit autoritärer Struktur - zum Instrument werden für die Verwirklichung von Freiheit und Demokratie? War er fähig zum revolutionären Neubeginn, wenn er doch selbst in den eigenen Reihen dem traditionellen Umgehen mit Macht verhaftet blieb? Und hat er nicht mit seiner stillschweigenden Voraussetzung, dass die Abschaffung des alten Systems identisch sei mit der Revolution, eine Enttäuschung der schwarzen Bevölkerung vorprogrammiert?
Wenn es heute, wie Ndjabulo Ndebele, der aus dem Exil heimgekehrte südafrikanische Schriftsteller, sagt, um die Demaskierung der Geschichte geht, dann geht es möglicherweise nicht nur um das Ablegen der Masken der Täter, sondern auch ihrer Gegenspieler, um den Verzicht auf Glorifizierung und Heldenmythos und um das genaue Hinsehen auf Irrwege und falsche Prämissen; nicht aus Gründen eines moralischen Urteils, aber um der Frage willen, ob es denn eine Alternative zu den gegangenen Irrwegen und falschen Prämissen überhaupt gab, eine Frage von Jenny und Kevin auf ihrer Spurensuche nach der durchlebten Geschichte.
Vielleicht ja waren es gerade die falschen Voraussetzungen und die unrealistischen utopischen Ziele, die besessene Selbstentäußerung der Kader und die überhebliche Selbstüberschätzung der Führung, die den Impuls zum Kampf erst möglich gemacht hatten.
Ohne das Bewusstsein der Vergangenheit keine Gestaltung der Zukunft
„Erst hinter der Fassade von Erinnerungspathos und Verdrängung liegt der Zugang zu den angeblichen Helden und Monstern in ihrer eigentlichen, menschlichen Gestalt“, schrieb Wolfgang Heuer kürzlich in einer nachdenklichen Reflexion über die Entstehung von Mut in Zeiten des Widerstands.
Genau das ist es, worum es auch für Jenny und Kevin bei ihrem Nachdenken über die Jahre im südafrikanischen Untergrund geht; auch wenn sie den hinter ihnen liegenden Kampf verschieden beurteilen, die Akzente anders setzen und ihr Blickwinkel nicht identisch ist - gemeinsam ist ihnen der Wunsch, die Tarnung aufzuheben, um den Blick auf ihre Erfahrungen freizugeben für andere. Es ist eben nicht nur eine private Geschichte, die Jenny und Kevin erzählen. In ihren Biografien spiegelt sich eine entscheidende Phase des südafrikanischen Widerstandskampfes, an dem Opfer und Täter der Apartheid beteiligt waren. Und es werden die Visionen, die Ängste und die Interessen beider sein, die auch die Zukunft bestimmen werden.
'Wir leben in einer Zeit der Widersprüche, der Ungewissheiten', sagt Ndjabulo Ndebele. 'Wir sind nicht sicher, wohin der Weg uns führt, den wir gehen, vielleicht, weil wir kein Gefühl da-für haben, wer wir sind und woher wir kommen. Die Vergangenheit klopft unaufhörlich an unsere Tür und weigert sich, vergessen zu werden.
Sie ist tief in die Gegenwart verstrickt und das nicht zur Kenntnis zu nehmen heißt, die Zukunft zu vertagen.
Zur Filmsprache
Die Filmsprache ist eher konventionell: Nahaufnahmen von sprechenden Personen, Portraits, Gesichter. Dann Einblendungen, z.B. Bilder aus der Kinder- und Jugendzeit von Jenny und Kevin.
In Rückblenden, z.B. Jenny läuft über das Militärlager in der ehemaligen DDR, inzwischen verfallen. Sie hebt ein paar leere Patronenhülsen auf und lässt sie wieder fallen. Hier war sie für einige Zeit zur Ausbildung für den Untergrundkampf. Auch werden Archivbilder eingeblendet, z.B. Bilder von den Jugenddemonstrationen in Soweto 1976. Oder: Da taucht die Großaufnahme von Angela Mais Urgroßvater auf, ein Archivbild aus dem Heimatmuseum in Durban, dazu der Text, den dieser 1867 niedergeschrieben hat, der beinhaltet, warum es nötig ist, „diese Wilden zu töten“. Diese Einblendungen, Rückblenden und Archivbilder unterstreichen, was Jenny und Kevin und die rund zwanzig anderen Zeugen, die zu der politischen Situation befragt werden, mit großem Ernst sagen. Die Bildgestaltung konzentriert sich auf die Protagonisten. Ihre Gesichter prägen sich dem Zuschauer tief ein. Trotz der vielen Gesichter, kein Interviewpartner ist zu viel, kein Wort wird zu viel gesprochen. Es entsteht eine dichte Atmosphäre, eine große Spannung. Vielleicht liegt es daran, dass die Filmemacherinnen ihren Interviewpartnern viel Raum geben sich zu erinnern.
Die Bilder aus Südafrika sind ungewöhnlich, weil nicht erwartet. Völlig untouristische Bilder werden gezeigt, ein verregnetes Südafrika, über dem Melancholie liegt wie Nebel. Andere Landschaftsbilder symbolisieren Hoffnung, Leben: Weite Landschaften mit einem Baum am Horizont oder Kosmea, die das Zeichen dafür sind, dass Jenny wieder am Leben teilhat.
Der Film ist klar gegliedert. Zwischentitel erleichtern dem Zuschauer dem Fortgang der Ge-schichte zu folgen. Gleichzeitig nimmt er Teil an dem Schmerz und den Zweifeln der Protagonisten, die sie angesichts der Widersprüche haben, in die sie ihr selbst gewählter Weg führte. Der Film ist eine Langzeitstudie. Jenny und Kevin werden über zehn Jahre hinweg, von 1994 an, befragt. Das, was sie erzählen, was sie erinnern reicht freilich viel weiter zurück in die Geschichte Südafrikas.
Fernsehworkshop Entwicklungspolitik 2005 verleiht den
Eine-Welt-Filmpreis NRW an „Memories of Rain“.
Die Begründung der Jury:
Der intelligent gemachte Film gibt anschaulich, kenntnisreich und spannend Einblicke in die Geschichte der Apartheid in Südafrika. Nah an den Personen wird der Zuschauer in deren Geschichte und Erfahrungen hineingezogen. Neben den Hauptprotagonisten werden die weiteren Personen formal geschickt und zuschauergerecht eingeführt. Den Filmemacherinnen, die über zehn Jahre lang an ihrem Film gearbeitet haben, ist eine einzigartige Langzeitstudie gelungen, die über die konkrete Geschichte des Kampfes gegen die Apartheid hinaus beispielhaft für die Aufarbeitung von Geschichte ist. Auch dieser Einsatz der Autorinnen soll mit dem Preis gewürdigt werden.
Deutsche Pressestimmen zum Film
Die ZEIT 12.2.2004: „Memories of Rain - Szenen aus dem Untergrund“ ... reflektiert ... Mut und Heldentum, aber auch die Not und den Schmutz des politischen Widerstands ... Es entfaltet sich eine Phänomenologie des Untergrundkampfes ... ein Panorama, das den Betrachter unausweichlich in den Sog der Fragen hineinzieht. Wann gehen einer Widerstandsorganisation, die Mittel wie Folter und Exekutionen einsetzt, die Werte verloren, für die sie eigentlich kämpft? ... Beim Betrachten von „Memories of Rain“ ragen die aufgeworfenen Fragen unausweichlich in die wiedervereinigte Gegenwart hinein. Man kommt gar nicht umhin, an deutsch-deutsche Befindlichkeiten zu denken.
TAZ 5.2.2004: Die Regisseurinnen folgen der Vita zweier ANC-Kader ... Lange Talking-Head-Szenen prägen den Film, dazu kommen Archivmaterial und Aufnahmen davon, wie die Hauptfiguren an die Stätten ihrer Untergrundaktivitäten zurückkehren. Dass die Filmemacherinnen eine recht konventionelle Machart gewählt haben, war eine gute Entscheidung. Denn die formale Beschneidung lässt viel Raum für die Offenheit, mit der sich Qhobosheane und Cargill erinnern.
Berliner Zeitung 6.2.2004: „Memories of Rain“ ist eine große und schmerzvolle Erzählung über die Ambiguität von Geschichte
Sym – Magazin der Evang. Akademie Bad Boll September 2004 - Robbie Kriger: Es ist sehr schwierig, diesen Film von Angela Mai und Gisela Albrecht in aussagekräftigen Begriffen zu „fassen“. Jenny Cargill und Kevin Qhobosheane „erzählen“ über ihr Leben im politischen Untergrund während des Kampfes gegen die Apartheid ... Was sie „erzählen“ und wie sie das tun, ist für mich, als einem ehemaligen Exilanten, sehr schwer zu verdauen ... zumal die noch nicht aufgearbeiteten Widersprüchlichkeiten des bewaffneten Kampfes wieder hervortreten; zumal die eigene, nicht aufgearbeitete Befangenheit gegenüber diesem Kampf jetzt, mitten im „normalen“ Leben, auffällig sichtbar wird; zumal die Trauer und der Schmerz über getötete und verschwundene KampfgefährtInnen das Herz wieder umklammern und die Augen mit Tränen füllen. Es wäre begrüßenswert, wenn dieser Film ... von einem lokalen Vertreiber aufgekauft und im ganzen Land gezeigt werden würde ... Dadurch würde nicht nur Geschichte lebendig, sondern es könnten auch die mannigfachen, unterschwelligen Vernarbungen und Verletzungen, die Trauer und die Wut ... zutage treten und verarbeitet werden. Und es könnte das Gespräch zwischen den Generationen und zwischen den Rassen, zwischen Opfern und Tätern beginnen!
TAZ – Lokalteil Hamburg 8.9.2004: Mit einem offensichtlich freundschaftlichen Verhältnis zu den beiden (Jenny und Kevin) haben die Filmemacherinnen ihrem Glück auf die Sprünge geholfen. Gänzlich untouristische Bilder eines verregneten Südafrika setzen in der Erzählung über die „weiße Zeit der Dürre“ immer wieder Kontrapunkte. Dies alles und ergänzende Interviews mit ... weiteren Kadern, machen „Memories of Rain“ zu einem einzigartigen Panoptikum der Motivationen, vor allem aber der kritischen Rückschau auf den Widerstand gegen die Apartheid. Was keine Wahrheitskommission an den Tag bringt, hier ist es zu sehen.
FAZ 12.2.2004: Man sieht die unendliche Mühe, die es kostet, einem Unrechtsstaat zu widerstehen, den jahrelangen Verzicht auf Heimat, Sicherheit und privates Glück, den die bei-den leisten, um ihren Überzeugungen gemäß zu leben.
Didaktische Hinweise
1. Der Film berichtet vom Leben im Untergrund in Südafrika zur Zeit der Apartheid.
- Was ist Apartheid?
- Was bedeutet Apartheid für die weiße Bevölkerung?
- Was bedeutet Apartheid für die schwarze Bevölkerung?
- Inwiefern steht die „getrennte Entwicklung“ im Widerspruch zu den allgemeinen Menschen-rechten?
2. Im Film wird die Geschichte von Jenny, einer weißen Frau, und Kevin, einem schwarzen Mann, erzählt. Beide gehen in den Untergrund, um in führender Position beim Nachrichten-dienst des bewaffneten Flügels des African National Congress – ANC – gegen den Apartheidstaat zu kämpfen.
- Was sind ihre Motive?
- Welche Aufgaben haben sie zu erfüllen?
- Wo tun sie ihre Arbeit?
- Welche Erfahrungen machen sie?
3. Rückblickend sprechen die Protagonisten von Schmerz, Schuld, Erschöpfung und Zweifel angesichts der Widersprüche zwischen Zielen und Methoden des bewaffneten Kampfes.
- Welche sind das?
- Warum verlässt Jenny schließlich den ANC?
- Warum Kevin nicht?
4. Im Film werden die Protagonisten auf ihre Vergangenheit, ihr Engagement im Untergrund befragt.
- Wie geht Jenny mit ihrer Vergangenheit um? Wie integriert sie sie in ihre Gegenwart?
- Wie Kevin?
- Wie bedingen sich nach Meinung der Protagonisten Vergangenheit und Zukunft?
5. Welche „Funktion“ hat das reflektierende Erzählen von Jenny und Kevin?
- Wem nützt diese Reflexion?
- Wer könnte sich dagegen wehren?
6. Sind die Erfahrungen, die Jenny und Kevin gemacht haben, übertragbar auf andere Situationen?
- Auf welche?
7. Was besagt der Titel des Films? Wie wird seine Aussage im Film aufgenommen?
8. Welche Einstellungs- und Bildgrößen dominieren in dem Film?
- Warum werden sie eingesetzt?
- Wie charakterisieren diese die Protagonisten?
9. Neben Jenny und Kevin äußern sich viele andere Personen in dem Film.
- Welche Person ist besonders eindrücklich?
- Welche Szene?
- Welche Aussage?
10. Wie ist die Situation heute in Südafrika nach der demokratischen Wahl von 1994?
- Wie äußern sich die ehemaligen Untergrundkämpfer im Film dazu?
- Wie ist die Beziehung zwischen weißer und schwarzer Bevölkerung?
- Ist die Integration der ANC-Kämpfer gelungen?
Literaturhinweise
- Das Schweigen gebrochen „Out of the Shadows“, Wahrheits- und Versöhnungskommission Südafrika, Brandes & Apsel Verlag. Frankfurt/M. 1999
- Geteiltes Land, Krieg und Frieden im südlichen Afrika, Weiss, Ruth, E.B.-Verlag, Hamburg 1997, 193 Seiten
Medienhinweise
- Farbe der Wahrheit - Südafrikas Suche nach Gerechtigkeit
Dobrivoie Kerpenisan und Clarissa Ruge, Deutschland 1998, 30 Min., Dokumentarfilm
Katalog EZEF - Zulu Love Letter
Ramadan Suleman, Frankreich, Südafrika 2004, 100 Min., Spielfilm, OmU
Autor: Georg Friedrich Pfäfflin
Dezember 2005