Das Los
(Le Franc) Djibril Diop Mambéty über den ersten Teil seiner Filmtrilogie, die er den kleinen Leuten seiner Heimat widmet: „Marigo träumt von seinem Instrument, der ‚Congoma’, die die boshafte Vermieterin aufgrund ausgebliebener Mietzahlungen konfisziert hat. Um es zurückzubekommen, kauft sich Marigo ein Los der Staatslotterie. Ein kostbares Dokument, das er sorgfältig an seine Türe klebt, damit es niemand entdeckt. Und wie es das Schicksal will, gewinnt seine Nummer. Zu seinem Ärger jedoch hat Marigo das Los allzu gründlich an der Tür festgeklebt, und er muss sie letztlich aus den Angeln reißen und sie auf dem Kopf zum Schalter der Staatslotterie tragen. Allerdings stellt sich am Schalter ein letztes Hindernis heraus: zwar hat er das Große Los gezogen, doch die für die Auszahlung unerlässliche Kontrollnummer befindet sich auf der Rückseite des angeklebten Lottoscheins. Das Los muss also um jeden Preis herunter, aber so, dass die Kontrollnummer keinen Schaden nimmt. Da Marigo eine geniale Idee. Am Ozean, auf einem Stein sitzend lässt er seine kostbare Tür von den Wellen liebkosen. Das Meer an der Westküste des Atlantiks kann abends schrecklich sein. Viel Glück, Marigo. Musiker und Märtyrer.“
Vor dem Hintergrund der massiven Abwertung des an die französische Währung gekoppelten CFA erhält die Radiowerbung, die den Kauf von Lotterielosen als einzig sinnvolle Geldanlage anpreist, eine unfreiwillig seriöse Note. Und so hintergründig erzählt Djibril Diop Mambéty durchgängig seine teils komische, teils auch groteske Geschichte. Es ist aber auch eine ernste Geschichte aus dem Alltag der kleinen Leute, wie sie in Dakar, aber auch in jeder anderen afrikanischen Stadt spielen könnte.
Die kleine Verkäuferin der Sonne
„Seit sehr langer Zeit ist der Handverkauf von Zeitungen in den Straßen von Dakar den Jungen der Stadt vorbehalten. Seit heute morgen jedoch wird dieses Vorrecht in Frage gestellt. – Was ist passiert? Sili – so haben wir das kleine Mädchen genannt – ist zwischen zehn und dreizehn Jahren alt. Sie lebt auf den Straßen und bewegt sich mit Hilfe von zwei Krücken vorwärts. Sie hält sich neben den Jungen auf, die die Zeitungen verkaufen, und bettelt. Doch an diesem Morgen wurde sie so heftig von den Jungen angerempelt, dass sie auf dem Asphalt hinfiel. Dabei öffnete sich ihr Kleid, so dass man ihren fragilen Körper sehen konnte. Ihre Krücken fand sie meterweit entfernt wieder. Um sich aufzurichten, musste sie alle ihre Kräfte zusammennehmen. Sie war sehr verärgert. Daraufhin nahm sie sich fest vor, ab dem nächsten Tag wie alle anderen auch Zeitungen zu verkaufen. Was für Männer gilt, gilt auch für Frauen.“
Mit diesen Worten beschreibt Djibril Diop Mambéty, die Ausgangssituation seines Filmes. Sili lernt die erbarmungslose Welt der jugendlichen Zeitungsverkäufer kennen und durchlebt schmerzhafte Augenblicke. Aber sie gewinnt auch einen Freund und lernt sich durchzusetzen. Der Film, der zwischen realistischer Alltagsbeschreibung und märchenhaften Episoden oszilliert, ist eine Liebeserklärung des inzwischen verstorbenen Filmemachers an den Mut der Straßenkinder, eine Hymne auf die Freundschaft.