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Lumumba
Film

Spielfilm von Raoul Peck
Frankreich, Belgien, Haiti, Deutschland 2000, 112 Minuten, OmU

Zum Inhalt
Der Anfang ist makaber: in einem Wald zersägen zwei Männer halbverweste Leichen, hauen sie mit der Axt in einzelne Stücke und werfen sie anschließend in Fässer mit Säure. Auf derart bestialische Weise zum Verschwinden gebracht werden die Leichen von Patrice Lumumba und seiner beiden Mitstreiter, Minister Joseph Mpolo und Joseph Okito, Vizepräsident des Senats. Die beiden Leichenschänder sind Weiße. Und aus dem Off kommentiert Lumumbas Stimme die grausliche Tat: „Selbst tot machte ich ihnen noch Angst“.
Nach dem unheimlichen Auftakt erzählt der Film in der Rückblende, wie es zu den Ereignissen kam, die in der kaltblütigen Ermordung Lumumbas gipfelten. Wir sind im Jahr 1956, noch ist der riesige Kongo mit seinen unermesslichen Bodenschätzen fest in belgischer Hand. Ein junger Mann mit Brille, der in Léopoldville (heute Kinshasa) für eine Bierfirma arbeitet, setzt sich vehement für die Gleichberechtigung der Schwarzen mit den Weißen ein. Der schlanke junge Mann, Patrice Emery Lumumba, ist einer der wenigen sogenannten „évolués“, jener Schwarzen, denen die Belgier eine beschränkte Schulbildung erlaubten. Er weiß sie zu nutzen, denn Lumumba hat einen Traum: den Traum eines unabhängigen, freien Kongo. Es bleibt nicht beim Traum.
Obwohl die Belgier es lange nicht wahrhaben wollen: die Zeichen stehen auf radikaler Veränderung. Die Unabhängigkeit des afrikanischen Kontinents steht bevor. Lumumba gründet 1958 eine eigene Partei, den „Mouvement National Congolais“ und wird sein Präsident. Chronologisch erleben wir im Film den kometenhaften Aufstieg des Politikers Lumumba mit. Seine Teilnahme an den verschiedenen zähen Verhandlungen mit der belgischen Regierung, seine Wahltourneen, die ihn als charismatischen Redner zeigen, als einen Intellektuellen, der doch ein Mann des Volkes geblieben ist, und seine Nominierung, mit 35 Jahren, zum Premierminister, nachdem seine Partei die Wahlen gewonnen hat. Gleichzeitig erleben wir Lumumba als liebevollen Vater und Ehemann.
Zum Paukenschlag in der Geschichte des Landes und zu einer großartigen Szene im Film geraten die offiziellen Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit des Kongo am 30.Juni 1960. Der König der Belgier, Baudouin, stellt die Unabhängigkeit des Kongo vor dem neugewählten kongolesischen Parlament und in Anwesenheit belgischer und internationaler Prominenz, als „großherzig gewährt“ durch Belgien dar und als „krönenden Abschluss des Werkes, das der

Genius seines Vaters, Leopold II.“ geschaffen habe. Und der magere, bleiche König warnt die Kongolesen in väterlichen Tönen vor allzu schnellen Veränderungen; brav hört der neugewählte Staatspräsident, Joseph Kasavubu, zu als das Unerwartete geschieht:
Lumumba, als Redner nicht vorgesehen, tritt ans Mikrophon und hält den Belgiern gnadenlos einen Spiegel ihrer rassistischen, menschenverachtenden Kolonialpolitik vor Augen, die ihren Anfang nahm unter der Ägide Leopolds II., der den Kongo zu seinem Privatbesitz deklariert und gnadenlos ausgebeutet hatte; Lumumba nennt die Erniedrigungen, die Grausamkeiten, die unmenschlichen Behandlungen durch das Kolonialregime. Und er weist die Belgier darauf hin, dass sie die Unabhängigkeit nicht gnädig gewährt hätten, wie der König sagte, sondern dass die Kongolesen sie sich erkämpft hatten. Eine glänzende Rede, rhetorisch perfekt, die Kongolesen bereiten Lumumba stehende Ovationen, in den Straßen von Kinshasa und in den Dörfern hängen die Menschen zuerst ungläubig und dann jubelnd an ihren Radios, die weißen Honoratioren sind erstarrt.
Da steht einer vor ihnen, dem es nicht um Macht und Ehre und dicke Pfründe geht, da steht einer vor ihnen, der an die Ideale von Freiheit und Unabhängigkeit in Afrika glaubt und der sie in seinem Land auch durchsetzen will. Ein gefährlicher Mann also. Denn die Belgier wollen sich mit Hilfe willfähriger schwarzer Politiker und einem dichten Netz sog. „Berater“ weiterhin die Kontrolle über das Land und seine Reichtümer sichern.
Unmittelbar nach den gestörten Feierlichkeiten brechen Unruhen aus, die der Film mit eindrücklichen Szenen wiedergibt: Es beginnt damit, dass die Soldaten der Ordnungskräfte gegen ihren belgischen Kommandanten Janssen revoltieren, der sich einer Afrikanisierung der Kader widersetzt. Es kommt zu Schießereien, schwarze Soldaten pöbeln Weiße an, in Léopoldville herrschen Angst und Panik, belgische Familien verlassen fluchtartig ihre Häuser und das Land. Lumumba setzt Janssen ab und gibt das Kommando über die neue kongolesische Armee einem Freund, Victor Lundula und setzt einen anderen Vertrauten, Oberst Joseph Désiré Mobutu an die Spitze des Generalstabs. Beide werden ihn verraten.
Doch die „kongolesische Krise“ hat erst angefangen. Ein Teil der Armee und ein Teil der Minister sind gegen Lumumba. Allen wichtigen Stellen hat die Kolonialmacht belgische „Berater“ zugeordnet. Das Volk, zuerst enthusiastisch, hat Angst vor Veränderungen. Im Osten des Landes ruft Lumumbas alter Gegenspieler Moise Tschombé unter den wohlwollenden Blicken der Belgier die Unabhängigkeit des Gliedstaates Katanga aus, wo sich der Löwenanteil der Bodenschätze befindet. Aus Freunden werden Feinde, Vertrauen löst sich in Misstrauen auf, Stammesgegensätze treten in den Vordergrund, dem Chaos auf der Straße folgt das politische. Im Hintergrund ziehen belgische und amerikanische Politiker die Fäden. Die UNO lässt den Dingen ihren Lauf.
Der Film zeigt jetzt einen Lumumba, der – unerfahren auf dem politischen Parkett – Fehler macht, der oft undiplomatisch, ja arrogant reagiert. Aber wie könnte es anders sein: vom Postbeamten und Biervertreter zum Premierminister katapultiert, umgeben von Neidern und Feinden und ohne Unterstützung durch das Ausland. Das Netz zieht sich immer enger um den Premierminister, der schließlich die Sowjetunion um Hilfe bittet, was ihn in den Augen des Westens endgültig zum Kommunisten stempelt.
Doch es ist ohnehin zu spät. Lumumbas „Eliminierung“ ist längst beschlossene Sache. Nur gute zwei Monate bleibt Lumumba in seinem Amt. Am 14.September putscht der ehemalige Freund Mobutu, im Einverständnis mit den belgischen und amerikanischen Hintermännern. Er setzt die Regierung ab und stellt Lumumba unter Hausarrest. Die Szene, in der Lumumba erkennt, dass er endgültig verraten worden ist und dies von einem, den er an seiner Seite glaubte, ist eine der eindrücklichsten.
Für Lumumba folgen Wochen der Einsamkeit, der Rebellion abwechselnd mit Apathie in einem dunklen, düsteren Haus. Der Tod des neugeborenen Kindes des Ehepaars Lumumba erscheint wie ein Sinnbild für die hoffnungslose Situation. Doch Lumumba gibt nicht auf. Ende November gelingt ihm die Flucht, er versucht mit einer Handvoll Getreuen Stanleyville zu erreichen, eine Hochburg der Seinen. Schwere Regenfälle erschweren den mühsamen Weg, Flüsse werden unpassierbar. Trotz Hilfe durch die Bevölkerung erwischen die Soldaten Mobutus den Flüchtigen.
Lumumba wird geschlagen, gefoltert, wie ein Paket im Land herumgeschickt und schließlich in einem Gefängnis in der Nähe der Stadt Thysville untergebracht. Doch überall befürchten die Belgier Aufstände. Am 17. Januar wird werden Lumumba und seine beiden Begleiter – auf dringendes Ersuchen der Belgier – nach Elisabethville gebracht, der Hauptstadt Katangas, und an Moise Tschombé ausgeliefert. Lumumba kommt mehr tot als lebendig an, in einem Zustand, der auf schwerste Misshandlungen hinweist.
Die letzte Szene, am selben Tag: In einer kalten regnerischen Nacht fahren mehrere Jeeps von Elisabethville hinaus ins Dunkle, halten auf einer Lichtung an, die bereits von Autoscheinwerfern erhellt ist. „Sie werden uns töten, nicht wahr, sagt Lumumba zu dem belgischen Offizier, der ihn vor sich her gehen heißt. „Ja“, antwortet der Offizier. Dann geht es schnell, zuerst werden Lumumbas Gefährten, als dritter er selbst von einem Erschießungskommando ermordet.

Zur Gestaltung
Es ging Raoul Peck in seinem Film nicht nur um die historische Wahrheit rund um die Eliminierung und Ermordung des inzwischen zur Symbolfigur gewordenen ersten kongolesischen Premierministers, er stellt seinen Film in den größeren Zusammenhang des belgischen Kolonialregimes im Kongo und den Aufstieg Mobutus. Das kommt im Vorspann zum Ausdruck, wo Peck collageartig Dokumentaraufnahmen von Schwarzen, die von Belgiern erniedrigt, geschlagen, wie Sklaven in Ketten gelegt werden, mit fiktiven Szenen kombiniert eines pantagruelischen Festes mit Spanferkel und Champagner, wo Weiße und Schwarze unter den Augen eines auf einer Art Thronsessel präsidierenden Mobutu Sese Seko sich gütlich tun.
Dasselbe Motiv erscheint am Schluss des Filmes wieder, in der letzten Szene, wo Lumumba und seine beiden Getreuen erschossen werden: In blitzschnellem Parallelschnitt werden die Bilder von der Exekution mit jenen des Festes zu Ehren Mobutus kombiniert, die im Vorspann zu sehen waren. In der Schlussszene befiehlt Mobutu eine Schweigeminute für den „Volkshelden Lumumba“. Peck lässt keinen Zweifel daran: Mobutu verdankt seinen Aufstieg dem Niedergang und Tod Lumumbas, den er mitverschuldet hat.
Raoul Pecks Film „Lumumba“ ist ein packender Spielfilm und gleichzeitig stellt er die historische Aufarbeitung einer von den Belgiern vierzig Jahre lang hartnäckig aufrecht erhaltenden Geschichtslüge dar, der Lüge, wonach Lumumba von den ihm feindlich gesinnten Katangern umgebracht worden sei, dass es sich bei seinem Mord um eine innerkongolesische Auseinandersetzung gehandelt habe.
Dass dem nicht so war, dass Lumumba Opfer eines belgisch-amerikanischen Komplotts mit Hilfe willfähriger kongolesischer Politiker wurde, hatte Peck schon in seinem 1991 gedrehten Dokumentarfilm „Lumumba – Tod des Propheten“ klargelegt. Einige Szenen aus jenem Film hat er auch für den Spielfilm wieder detailgetreu nachgestellt. Doch was vor zehn Jahren zum Teil noch Vermutungen waren, ist durch die Untersuchungen des belgischen Forschers Ludo de Witte zur Gewissheit geworden. Sogar einer der beiden Belgier, die damals die Leichen der drei Getöteten beseitigt haben, konnte gefunden werden. Entstanden ist ein Dokudrama, ein Spielfilm, kombiniert mit historischen Aufnahmen.
In einem Interview mit dem Zürcher „Tages Anzeiger“ (15.2. 2001) sagte Raoul Peck:„Manche Leute denken, der ganze Film sei von mir erfunden worden. Aber in diesem Film handelt es sich um eine der seltenen Gelegenheiten, in denen die reale Geschichte viel unglaublicher ist als der Film. (...) Selbst die kleinsten Détails sind authentisch, weil es für uns wichtig war, die Geschichte unangreifbar darzustellen. (...) Oft bin ich solchen Momenten begegnet, in denen die Realität viel spektakulärer war, als was man in einem Drehbuch hätte erfinden können. “Doch es geht Raoul Peck um mehr als nur um eine detailgetreue Darstellung des Falles Lumumba: „Mich interessiert nicht in erster Linie, wie die Ereignisse stattgefunden haben, sondern welche Mechanismen dahinter stecken.“
Das sei der Grund, meinte Peck, warum er die Geschichte vom Ende her aufrolle, der Zuschauer sei gezwungen, mitzumachen und die Geschichte selber zu rekonstruieren. Und noch etwas wird klar, wenn die Stimme Lumumbas die erste Szene im Film, als seine Gebeine zum Verschwinden gebracht werden, selber kommentiert: Peck wird die Geschichte aus der Perspektive Lumumbas erzählen. Lumumbas Off-Stimme ist während des Films immer wieder zu hören, wie wenn der tote Lumumba mit uns den Film ansehen und im Rückblick auf diesen letzten Teil seines kurzen Lebens zu einzelnen Szenen einen Kommentar abgeben würde. So zum Beispiel auch, als Mobutu ihn verrät, oder als er in einer frühen Konfrontation mit Moise Tschombe hochfahrend dessen Warnungen in den Wind schlägt: der tote Lumumba sieht ein, dass er Fehler gemacht hat.
Raoul Peck zu der Entscheidung, die Geschichte aus der Sicht Lumumbas zu erzählen: „ Mir war wichtig zu verstehen, wie dieser Mann ermordet wurde, ohne dass die Welt irgendetwas dagegen unternahm. Im Gegenteil: die Welt gab gewissermaßen ihr Einverständnis. Nach langer Arbeit war mir klar, dass Lumumba selbst das beste Medium sein würde, um die Geschichte zu erzählen.“
Das, was Lumumbas Stärke ausmachte, wurde ihm gleichzeitig zum Verhängnis: seine Gradlinigkeit, sein absolutes Engagement für Freiheit und Brüderlichkeit, sein Glaube, dass das Gute und Richtige siegen müsse. Das stempelte Lumumba zum Helden, machte aus ihm nach seinem Tod eine Symbolfigur. Dem Film verleiht es einen Hauch von Pathos. Raoul Peck ist sich dessen bewusst: „Für mich war er nicht nur ein Politiker oder ein Held oder sogar ein Prophet, sondern er war ein echtes Symbol, egal, was man politisch von ihm hält. (...) Diese Dimension von Lumumba ist wichtig, besonders für die Dritte Welt. Man versteht, wie sie im Grunde für die meisten Mächtigen unannehmbar war. Man versteht auch, wie ein Mobutu zu einem großen Diktator gemacht wurde und während vierzig Jahren unterstützt wurde.(...) Lumumba ist ein Teil unseres Gedächtnisses. Wir brauchen ein Idol, auf das wir stolz sein können.“
Lumumbas wichtigste Gegenspieler, die sich in die Strategie der Mächtigen einspannen lassen, Mobutu, Kasavubu, sind im Film nicht einfach als die Bösewichte und Hampelmänner der Weißen dargestellt, sie wirken bei Peck sogar eigenständiger als sie in Wirklichkeit waren.

Großartige Schauspieler tragen entscheidend zum Erfolg des Filmes bei, allen voran Eriq Ebouaney als Lumumba, Maka Kotto als Kasavubu, Alex Descas als Mobutu.

Zum Regisseur
Raoul Peck wurde 1953 in Port-au-Prince auf Haiti geboren. Als er sieben Jahre alt war, folgten seine Eltern zusammen mit anderen Haitianern einem Ruf Lumumbas nach Kinshasa, wo dringend französischsprachige Lehrer gebraucht wurden. Die frühe Kindheitserfahrung mit Gewalt, Aufständen, Massakern während der sog. „événements“, der Kongowirren, ist mit ein Grund, weshalb sich Peck später so intensiv mit Lumumba und den Folgen des Neokolonialismus auseinandersetzte. Peck studierte in Europa und den USA und beendete seine Studien an der deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Er ist Ingenieur, Filmemacher, Fotograf.
Während anderthalb Jahren diente er Haiti unter Präsident René Préval als Kulturminister. Von seinen filmischen Arbeiten hat ihn neben den beiden Lumumbafilmen vor allem „L’homme sur les quais“ aus dem Jahr 1993 international bekannt gemacht, der sich mit der beklemmenden Wirklichkeit in seinem eigenen Land auseinandersetzt. In beiden Filmen, „L’homme sur les quais“ und „Lumumba“ zeigt sich Raoul Pecks ästhetische Handschrift als Filmemacher: die Übereinstimmung der äußeren Schauplätze mit den realen Örtlichkeiten und seine Besessenheit in der Rekonstruktion historischer Fakten, die bis ins kleinste Detail gehen: wenn es an einem bestimmten Tag im Leben Lumumbas geregnet hat, dann muss es im Film an diesem Tag auch regnen. Oft entspricht die äußere  Wirklichkeit einer inneren Befindlichkeit der handelnden Personen.
Auch diese Ästhetik steht bei Raoul Peck im Dienst seines großen Themas, der Kritik am Kolonialismus. Seine Filme sind Filme gegen das Vergessen, Filme für das kollektive Gedächtnis jener, die unter dem Kolonialismus gelitten haben. „Man vergisst“, meinte er in dem Interview, „dass die Mehrheit der Welt überhaupt keinen Zugang zu diesen Bildern hat. Man vergisst, dass es andere Arten gibt, die Welt zu sehen.“
Raoul Peck hat mit „Lumumba“ ein überaus gelungenes Lehrstück über die postkoloniale Zeit geschaffen, darüber wie die ehemaligen Kolonialmächte im Einverständnis mit den Vereinigten Staaten skrupellos ihre eigenen Interessen zu wahren suchten und dabei vor Mord und Totschlag nicht zurückschreckten, während sie offiziell von Unabhängigkeit, Freiheit und Menschenrechten redeten. Diese Szenarien postkolonialer Machtspiele und der Versuche, die Länder des Südens unter Kontrolle und Abhängigkeit der wirtschaftlich und politisch Mächtigen zu halten, sind noch immer hochaktuell.

Zum Buch des belgischen Soziologen Ludo de Witte
Als Ende 1999 das Buch „L’Assassination de Lumumba“ (Verlag Khartala, Paris 2000) von Ludo de Witte erschien, löste die Publikation einen politischen Sturm zuerst in Belgien, später im Kongo aus. Mit trockenen, beinharten Fakten weist der 44jährige Soziologe nach, daß Belgien die Hauptverantwortung trug am Mord an Lumumba, unterstützt vom amerikanischen CIA, geduldet von der UNO. Höchste belgische Stellen planten den Mord und belgische Berater im Kongo sorgten für dessen Umsetzung. Nichts bleibt in dem Buch anonym, der Autor nennt und zitiert die Hauptverantwortlichen: Harold d’Aspremont Lynden, belgischer Minister für afrikanische Angelegenheiten; Pierre Wigny, belgischer Außenminister; Allen Dulles, Chef der CIA; Richard Bissell, Chef der geheimen Operationen der CIA; Frans Verscheure, „Berater“ und eigentlicher Chef der kongolesischen Polizeikräfte; die Kongolesen Joseph Désirée Mobutu und Moise Tschombé. Und viele mehr.
De Witte recherchierte sechs Jahre lang, er hatte früher schon Einblick in die Dossiers der CIA, nun auch in jene der UNO, des belgischen Außenministeriums und des damaligen Ministeriums für afrikanische Angelegenheiten. Die Fakten, die De Witte präsentiert, sind derart erdrückend, dass das belgische Parlament beschloss, eine Untersuchungskommission einzusetzen, der Ruf Belgiens als Land, das Freiheit und Menschenrechte verteidigte, stand auf dem Spiel.

Zitate (aus dem Buch von Ludo de Witte)
„Wir haben beschlossen, dass die Beseitigung Lumumbas unser wichtigstes Ziel ist und daß dieses Ziel unter den gegebenen Umständen innerhalb unserer geheimen Aktion Priorität genießt.“
(Allen Dulles, Chef CIA, in einem Telegramm an einen seiner Agenten in Léopoldville, 28.8.1960)
„Das Hauptziel, das es im Interesse des Kongo, des Katanga und Belgiens zu verfolgen gilt, ist selbstverständlich die definitive Beseitigung Lumumbas...“
(Graf d’Aspremont Lynden, belgischer Minister für afrikanische Angelegenheiten, am 10.10.1960, in einem Telegramm an die UNO)
„Minister d’Aspremont drängt persönlich bei Präsident Tschombé darauf, dass Lumumba in der kürzest möglichen Zeit nach Katanga überführt werde. Bitte mich auf dem laufenden zu halten.“
(Der belgische Konsul in Elisabethville  in einem Telegramm an Moise Tschombé, am 16.Januar 1961)
„Die Fracht ist unterwegs“
(Louis de Gonzague Bobozo, Kommandant des Gefängnisses von Hardy bei Thysville, wo Lumumba, Mpolo und Okito auf ihr weiteres Schicksal warteten, am 17.Januar 1961)
„Die belgische Regierung ist in keiner Weise beteiligt gewesen weder an der Verhaftung, noch der Überführung (nach Elisabethville), noch dem Ende von Herrn Lumumba. Ich habe, wie Sie alle, aus der Presse von der Überführung erfahren und meine erste Sorge war – wie es auch die erste Sorge von Herrn d’Aspremont Lynden war – unseren Vertreter dort unten zu ersuchen, er möge alles unternehmen um sicherzustellen, dass der politische Gefangene mit der Menschlichkeit behandelt werde, auf die jeder Gefangene Anspruch hat.“
(Der belgische Außenminister Pierre Wigny vor dem belgischen Parlament, am 14.Februar 1961)
„Ich hatte nur laut den Traum von Freiheit und Brüderlichkeit ausgesprochen. Worte, die sie nicht ausstehen konnten. Nur Worte.“
(Patrice Lumumba)

Literaturhinweise
Ludo de Witte; Regierungsauftrag: Mord - Der Tod Lumumbas und die Kongo-Krise
Forum-Verlag Leipzig, 2001, ISBN 3-931801-09-08

Filmographie Raoul Peck
1982 DE CUBA TRAIGO UN CANTAR
1983 LEUGT, EXERPT, BURIAL
1984 LE MINISTRE DE L’INTERIEUR EST DE NOTRE CÔTÉ – MERRY CHRISTMAS
1988 HAITAN CORNER
1991 LUMUMBA - TOD DES PROPHETEN (bei EZEF)
1993 DER MANN AUF DEM QUAI (bei EZEF)
1994 DIALOGUE WITH DEATH, HAITI; WARTEN AUF DIE RÜCKKEHR
1997 CHERE CATHERINE
2000 LUMUMBA
2001 PROFIT NICHTS ALS PROFIT (bei EZEF EZEF)

Medien

DER MANN AUF DEM QUAI
L’Homme sur les Quais
Raoul Peck, Frankreich/Kanada/Haiti/Deutschland 1993
105 Min., Spielfilm, OmU

PROFIT, NICHTS ALS PROFIT
LE PROFIT ET RIEN D’AUTRE
Raoul Peck, Frankreich/Deutschland/Haiti 2001
57 Min., Essayfilm

Autorin: Regula Renschler
Januar 2002

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