Spielfilm von Merzak Allouache
Algerien 1994, 93 Minuten, OmU
Inhalt
Erzählt wird die Geschichte des jungen Bäckers Boualem (Hassan Abdou), der nachts hart arbeitet und tagsüber schläft. Eines Tages schreckt er aus dem Schlaf hoch, unsanft geweckt von der ihm immer unerträglicher werdenden Stimme des Imams, der das Viertel täglich mit seinen Predigten per Lautsprecher zu Sauberkeit und Hygiene aufruft. In einem Wutanfall reißt der junge Boualem - nur bemerkt von Yamina (Nadia Kaci), der Frau, die er liebt - den Lautsprecher vom Dach und wirft ihn ins Meer. Diese Tat wird in der Sprache der Fundamentalisten als "große Sünde", als "großes Verbrechen" und somit als "Angriff auf die Religion" gewertet. Ein Teil der jungen Anhänger des Imams unter der Führung des die Nachfolge anstrebenden Said (Mohamed Ouardache) schwört, den Übeltäter exemplarisch zu bestrafen, wenn sie ihn finden. Said, ein hitzköpfiger Macho, ist der Bruder von Yamina, die Boualem liebt. Sie, die selbst von ihrem Bruder drangsaliert wird und darunter leidet, trifft sich heimlich mit Boualem auf dem christlichen Friedhof, dem sichersten Ort für heimliche Zusammenkünfte, und wird dabei von einem Anhänger ihres Bruders - einem ehemaligen Afghanistan-Kämpfer (Mourad Khen) - beobachtet. Dies bringt Said, der seine Schwester vor Verleumdung schützen und von Boualem abbringen will, zusätzlich auf, und die Hetzjagd auf den jungen Bäcker beginnt. Nachdem man ihm als Warnung ein Leichentuch geschickt hat, entschließt sich Boualem, ins Exil nach Frankreich zu gehen. Die Auflage, die ihm Said und seine Anhänger gemacht haben, kann er nicht erfüllen: Er soll den Lautsprecher der Moschee zurückbringen. Dieser aber ist unauffindbar im Meer versunken...
Zum Hintergrund in Algerien
Auch wenn Boualem ein ganz normaler Jugendlicher ist, ist es Merzak Allouache gelungen, mit dieser Figur des jungen Bäckers eine Person im Film zu gestalten, die an "Omar Gatlato" anknüpft und symbolisch für die Situation der verfolgten Intellektuellen und Künstler in Algerien steht, deren Lage durch die Berichterstattung in den Medien international bekannt geworden ist. Somit hat der Film allegorischen Charakter und erinnert zugleich daran, daß viele durchschnittliche Algerier ebenso unter der gegenwärtigen politischen Situation in ihrem Land leiden, aber nicht die Möglichkeit haben, es zu verlassen. Dabei hat es sich Allouache mit seiner cinematographischen Darstellung der hochbrisanten Lage in Algier nicht leicht gemacht: Es ist keine schwarz-weiße Gegenüberstellung zwischen Religiösen und Nichtreligiösen, sondern ein Film über den Konflikt von Muslimen demokratischer Auffassung mit Muslimen, die einer totalitären Ideologie anhängen. Die Personen und ihr Handeln erscheinen brüchig, die menschliche Anfälligkeit für Ideologien genauso nachvollziehbar wie das Leiden derjenigen, die damit massiv unter Druck gesetzt werden und nach Möglichkeiten suchen, diesem zu entkommen - oder sich zu arrangieren. So trägt die Schwester von Said den Schleier - nicht, weil sie es will, sondern weil sie damit eine äußerliche Forderung erfüllt, die ihr Bruder ihr aufzwingt. Was sie denkt und fühlt, ist eine andere Sache. Sie schreibt Briefe an Boualem, in der sie ihre innere Situation, ihre Ängste, Gefühle und den ganzen Druck schildert, die sie jedoch nicht abschicken kann, da sie seine Adresse im Ausland nicht kennt. Die Briefe, immer wieder eingesprochen im Film, untermalen durch sehr subjektive Schilderung die politische Entwicklung und bieten der jungen Frau die Möglichkeit, ein kleines Stück weit ihre Situation damit zu bewältigen und zugleich ihre Träume im Brief zu bewahren. Mit den Briefen an Boualem beginnt und endet die Geschichte. Yamina will Boualem eines Tages ihre Briefe geben, wenn er aus dem Exil nach Algier zurückkehrt.
Eine weitere Frauenfigur, Ouardiya (Nadia Samir), steht für die algerischen Frauen der Generation, die stark vom Unabhängigkeitskrieg geprägt wurden. Sie hat eine gute Ausbildung genossen und nahm an den Studentenprotesten gegen die französische Kolonialmacht teil. In Gesprächen erzählt sie Boualem, mit dem sie eine enge zärtliche Freundschaft verbindet, ihre Vergangenheit, in der sich ein anderes Algerien spiegelt: Die Hoffnung und der Enthusiasmus einer Generation nach der Befreiung, die dann bitter enttäuscht wurde. Boualem, der selbst keinen Alkohol anrührt, versorgt die allein lebende Ouardiya mit dem immer schwieriger zu bekommenden Wein, denn sie verlässt seit geraumer Zeit ihre Wohnung nicht mehr. Der wachsende Psychoterror, verursacht durch ständige Drohbriefe und die zunehmende Vereinsamung durch die hauptsächlich von außen aufgezwungene Selbstisolierung, die nur von den Besuchen Boualems durchbrochen wird, ist für sie nur noch mit Hilfe des Alkohols auszuhalten. Auch Ouardiya träumt vom Weggehen; ob es beim Träumen bleibt, läßt der Film offen. Nach einem "Besuch" von Said, der ihr durch ein "Russisch-Roulette"-Spielchen mit der Pistole das Ultimatum stellt, innerhalb einer Woche zu verschwinden, da das Viertel von unmoralischen alleinlebenden Frauen wie ihr gereinigt werden soll, bricht sie in einem Weinkrampf zusammen.
Die Person des Said ist die Verkörperung des religiös motivierten "Tugendterroristen". Die Appelle des alten Imams der Moschee an die Bevölkerung des Viertels, sie möge sich "sauber halten" und "Hygiene" betreiben, gelten vor allem den jugendlichen Drogenabhängigen, die in dem Kreislauf aus Arbeits- und Perspektivlosigkeit gefangen sind und der Langeweile durch Drogen zu entkommen suchen. Von Said werden diese Appelle zugespitzt und pervertiert: Wenn er erst eines Tages Imam ist, werden alle "Prostituierte", alle französischen Waren und alle Fernsehantennen und Satellitenschüsseln verschwinden. Dann wird es nur noch religiöse Programme und religiöse Kassetten geben ... Said, nach einer mutigen Tat von den Jugendlichen des Viertels zum "Held" stilisiert, will selbst an die Macht und Imam werden. Die Eitelkeit des hitzköpfigen Machos wird wunderbar dargestellt in einer Schlüsselszene: Er sitzt vor dem Spiegel und schminkt sich sorgfältig die Augenlider mit schwarzem Kajal. Das gibt nicht nur einen feurigen Blick, sondern symbolisiert auch die Kenntnis der islamischen Tradition, denn auch der Prophet Muhammad soll sehr eitel gewesen sein und sich die Augen geschminkt haben. Die Machtbesessenheit und der Fanatismus von Said kommen deutlich zum Ausdruck, wenn er mit dem Imam spricht, bei dem er Boualem denunziert. Doch dem alten Imam (Ahmed Benaissa) liegt nichts an einer exemplarischen Bestrafung. Er versucht, zwischen Boualem und Said zu vermitteln, denn der Islam sei eine Religion der Toleranz und des Friedens und es gelte, nichts zu übertreiben und das Viertel nicht zu spalten. Die folgenden Predigten des Imams sind ein Aufruf an die ganze Gemeinde, der Gewalt abzuschwören, denn Gewalt erzeuge nur Gegengewalt - Worte, mit denen er Said und seine Anhänger davon abhalten will, Lynchjustiz zu betreiben. Nach seinen gescheiterten Vermittlungsversuchen muss der alte Imam schließlich wahrnehmen, dass er keine Kontrolle mehr über das Viertel und die jungen Hitzköpfe in der Moschee hat. So kapituliert er und verlässt Bab el-Oued, das er nicht mehr versteht. Said dagegen wird von anonym im BMW auftauchenden Männern mit kleinen Waffengeschenken bedacht, die die Stimmung aufheizen. Als er für die "Männer im Hintergrund" zu gefährlich wird, gerät er selbst in Suizidphantasien - und wird schließlich umgebracht, wie man aus Yaminas Briefen erfährt...
Merzak Allouaches Figuren sind paradigmatische Figuren, die den allgemeinen politischen Diskurs der jeweiligen Schuldzuweisung reflektieren. Besonders wichtig ist die Figur des Said und die dunklen Machtstrukturen, vor allem die dunkle, unklare Macht der Männer im BMW, die Said und die Anderen instrumentalisieren und gegeneinander ausspielen. Jean-Pierre Gallèpe nannte sie in einer Pressekonferenz im Juni 1994 während der Französischen Filmtage in Tübingen die "politische Mafia"; sie arbeitet undurchsichtig, weil sie ihre Pfründe und Vorteile nicht verlieren will. Zugleich hetzt sie die Fundamentalisten, die Islamisten und die Liberalen gegeneinander auf und spielt sie wie Schachfiguren gegeneinander aus. Dabei stehen bei allen Figuren des Films, in unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlichem Ziel, die Gier nach die Macht im Vordergrund als Triebmotiv. Said ist ein Reinheitslehrenfanatiker, der am eigenen Anspruch scheitert: Während er gegen die Raiy-Musik, die Unterhaltungsprogramme im Fernsehen, die Satellitenschüsseln und den Camembert wettert, kann er doch nicht verhindern, daß selbst in seiner eigenen Familie Fernsehen geguckt wird. In seine Sprache mischen sich französische Ausdrücke wie "parabole", "paradiabolique" oder "haut parleur". Seine eigene Mutter empfängt alte französische "Pieds Noirs", die das Viertel nach langer Zeit besuchen und von vergangener Romantik träumen. Sie ist es auch, die will, dass Yamina hübsch aussieht und schneidert ihr ein Kleid. Saids Reinheitslehrenfanatismus wird von der eigenen Familie unterwandert und auch in seiner Anhängerschaft gibt es - neben dem Typ des ehemaligen Afghanistan-Kämpfers Rachid, der nicht aufhören kann, Krieg zu spielen - Brüche und sogar einen von Mabrouk ironisch als "Heuchler" Bezeichneten: einen Frankophilen, der nach der Ankunft in Algerien, einsam und mittellos, beim alten Imam caritative Hilfe fand und so vorübergehend zur Anhängerschaft von Said gehörte. Jedoch hat ihn die Liebe zu Frankreich nie verlassen; als er endlich seinen französischen Pass erhält, rasiert er sich den Bart ab und verschwindet mit demselben Schiff nach Frankreich, das auch Boualem ins französische Exil bringt. - Damit, dass der frankophile "Heuchler" den alten Imam vor den Anderen verteidigt und betont, dass ausschließlich dieser ihm in seiner Misere nach der Ankunft in Algier geholfen habe, betont Allouache zugleich die soziale Dimension der Religion bei der gemäßigten islamistischen Strömung.
Kritik
Merzak Allouaches Film "Bab el-Oued City" ist ein Film über die Macht. Er knüpft bewusst an an sein früheres Werk "Omar Gatlato" von 1976, das im selben Kleine-Leute-Viertel von Algier spielt. "Omar Gatlato" war der erste Langfilm von Allouache. In der filmischen Studie über das alltägliche Leben eines jungen Algierer Beamten, der seine Männlichkeit und sein Hobby, die Schaabi-Musik (eine Vorläuferin des Raiy) pflegt, zeichnen sich bereits die später zur Krise führenden Probleme ab: Der Alltag ist geprägt von Langeweile, Wohnungsproblemen, Überbevölkerung, schlecht bezahlter Arbeit.
Die Metaphorik des Bildes in "Bab el-Oued City" ist stark: Für Merzak Allouache symbolisiert der BMW die politische Mafia, die ihrerseits die Fundamentalisten gegen den gemeinsamen Feind (alle nicht konform handelnden und denkenden Kritiker der Verhältnisse) instrumentalisiert. So verbindet sich religiös motivierter Reinheitslehren-Fanatismus mit der Politik und wird zu einer undurchsichtigen Machtverfilzung, vor der es schließlich nur noch einen Ausweg gibt: Flucht. Bestechende Situationskomik findet sich in einer kleinen, nebensächlich wirkenden Szene zwischen dem Briefträger, der das Leichentuch überbringt, und einer blonden Mieterin: Der gute Mann hätte gerne, dass die Mieterin sich für seine Postdienste etwas mehr erkenntlich zeigt, blitzt aber ab. Frustriert schimpft er auf die Frauen, die selbstverständlich „immer an allem schuld“ sind ... In der Sprache zeigt Allouache anhand von bestimmten religiösen Begriffen, wie sich von den Islamisten in Algerien geprägte Ausdrücke unbewusst auch in den alltäglichen Sprachgebrauch derjenigen Jugendlichen eingeschlichen haben, die mit den Fundamentalisten nichts zu tun haben: Sie sprechen von einer "großen Sünde", einem "großen Verbrechen" (garima kabira) beim Diebstahl des "Sprachrohr Gottes" (des Lautsprechers), und sie wissen, was "erlaubt" (yaguz) und was "nicht erlaubt" (la yaguz) ist und benutzen dabei Fachausdrücke des islamischen Rechts, der Schari'a - einer Ausdrucksweise, die in Algerien früher kaum bekannt war.
Auch der Einsatz von Musik in "Bab el-Oued City" ist beachtenswert. Die Raiy-Musik - Symbol der Liberalität, Offenheit und Lebenslust - wird von den Jugendlichen gehört, die an der Perspektivlosigkeit leiden und von der Freiheit träumen. Freiheit bedeutet hier: Reisen - die Musik hören, die man will - Frauen - Tennisschuhe - französische T-Shirts - amerikanische Kinofilme (in einer Szene beschreibt ein Jugendlicher, wie er ein algerisches Mädchen im Auto ausführt, die nach ihrer "Entschleierung" für ihn wie Kim Basinger wirkt). Französische Musik taucht als Untermalung auf, wenn die "Pieds Noirs" den Strand besichtigen oder wenn der "Heuchler" nostalgisch von Bobigny schwärmt. Der Ruf des Muezzins kündigt die Gruppe von Said an, der - wenn er an der Macht ist - nur noch religiöse Kassetten im Umlauf haben will - SEINE favorisierte Musik, von der ER träumt. So symbolisiert der Einsatz von Musik diejenige Kultur, die von den sie jeweils Favorisierenden gewünscht wird: eine offene demokratische Kultur oder eine totalitär orientierte Kultur. Beklemmend das absolute Fehlen jeglicher Musik und jeglicher Sprache in den Szenen, in denen der BMW durch Algiers Straßen fährt (gefilmt aus dem Inneren des Autos): Es wirkt wie Szenen, die unter Wasser gedreht werden, unter hohem Druck. Symbolisch dürfte das so zu verstehen sein, das die durch den BMW symbolisierte Macht nicht weiß, in welche Richtung die Entwicklung gehen wird und versucht, den Kopf oben zu halten.
"Bab el-Oued City" ist eine sehr genau beobachtete Milieustudie mit teilweise dokumentarischem Charakter, die in beklemmender Weise die algerische Realität spiegelt und vielleicht gerade deshalb so eindringlich wirkt, weil Allouache beinahe vollständig auf Szenen blutiger Gewalt verzichtet. Es ist ein Film über die Mechanismen politischer Bedrohung durch undurchsichtige Machtverhältnisse und ein Film über den Boden, auf dem der Extremismus wächst. Er spielt in Algier im Frühjahr 1989, wenige Monate nach den blutigen Unruhen vom Oktober 1988, bei denen es viele Tote unter der islamistischen Opposition gab. Er zeigt die Anfänge einer Entwicklung, die inzwischen von den alltäglich gewordenen systematischen Morden an Intellektuellen und Künstlern sowie deren Exodus gekennzeichnet ist. Der Film wurde im Frühjahr 1993 unter extrem schwierigen Bedingungen in Algier und in der Kabylei gedreht. Das Drehbuch - ursprünglich stärker komödiantisch gedacht - hatte sich während der Dreharbeiten, vor allem nach der Ermordung des Schriftstellers und Journalisten Tahar Djaout, einem Freund Allouaches, stark verändert. Die Machart erinnert an den Film "Z" von Costa Gavras, in der die dunklen Machtstrukturen im Griechenland der Phalangisten gezeigt werden.
Didaktische Hinweise
"Bab el-Oued City" von Merzak Allouache ist für den Einsatz in Jugendzentren, höheren Schulklassen (Ethik-Unterricht) sowie vor interessiertem Publikum in der Erwachsenenbildung dringend zu empfehlen. Zuvor sollte allerdings die Lektüre von Juan Goytisolo "Ein algerisches Tagebuch" sowie von Rachid Boudjedra "Prinzip Haß" ebenso dringend empfohlen werden, da der Zuschauer ein Vorwissen über die Verhältnisse in Algerien mitbringen sollte. Weil der Film in Algerisch-Arabisch gedreht wurde und mit deutschen Untertiteln gezeigt wird, gehen Nuancen der musikalischen Untermalung und des Einsatzes der Sprache leicht unter, was das Verständnis der Komplexität der gezeigten Verhältnisse erschwert, wenn keine Vorkenntnisse vorhanden sind. Man sieht nur, was man weiß.
Zeittafel:
1830: Eroberung Algeriens durch Frankreich
1954 -1962: Unabhängigkeitskampf gegen die Kolonialherrschaft Frankreichs; nach der Unabhängigkeit wird das Land durch die ehemalige Befreiungsbewegung FLN (Front de Libération Nationale) regiert
1980: Berberfrühling
1982: Studentenunruhen in Oran und Algier; Bruch zwischen der Regierungspartei FLN) und der sich auf den Islam berufenden Opposition, in dessen Verlauf unter anderem Abassi Madani, einer der späteren Führer der FIS (Front Islamique du Salut) zum ersten Mal inhaftiert wurde.
1984: Einführung des "Code de la famille" durch Chadli Benjedid im Juni 1984 (veröffentlicht in: JORADP - Journal Officiel de la République Algérienne Démocratique et Populaire am 12. Juni 1984: loi no. 84/11 du 9 juin 1984 portant Code de la famille, p. 612-625; in Anlehnung an das islamische Gesetz, die "schari'a", entworfenes Familienrecht, das die Frauen auf juristischem Weg einmauert.
1988: "Brotaufstand"; Zusammenprall zwischen der Regierungsmacht, der islamistischen Opposition und der Kultur- und Demokratie-Bewegung. Etwa 20.000 Sympathisanten der Islamisten gehen auf die Straße; das Militär greift ein und tötet 50 Islamisten: Die FIS erhält ihre ersten Märtyrer.
1990: Triumph der FIS bei den Kommunalwahlen am 12. Juni; im Herbst wird in Oran ein öffentliches Raiy-Konzert von der FIS verboten.
1991: Abassi Madani, einer der Führer der islamistischen Opposition, ruft am 23. Mai zum Generalstreik auf - im Hintergrund agiert jedoch der junge charismatische Imam Ali Belhadj aus dem Viertel Bab el-Oued; als die FIS bei den Parlamentswahlen im ersten Durchgang über 47% erringt, werden die Wahlen abgebrochen und die FIS verboten. Im Herbst beginnen die ersten Terroranschläge des bewaffneten islamistischen Untergrunds auf Kasernen und Armeeangehörige; der islamistische; "djihad" (sog. Heiliger Krieg") beginnt.
Nov. 1995: Der vom Militär eingesetzte Staatschef General Zeroual gewinnt die Präsidentschaftswahl mit 61% der Stimmen; die FIS hatte zum Boykott der Wahl aufgerufen.
Literaturhinweise
- Jan Assmann/Theo Sundermeier (Hrsg.), Die Begegnung mit dem Anderen,. Plädoyers für eine interkulturelle Hermeneutik (Reihe: Studien zum Verstehen fremder Religionen), 1991, darin besonders: Horst Schwebel, Das Bild als Quelle. Was leistet das Bild zum Verstehen fremder Religiosität? S. 123-144.
- Rachid Boudjedra, Prinzip Haß - Pamphlet gegen den Fundamentalismus im Maghreb, Verlag Donata Kinzelbach, Mainz 1993
- Juan Goytisolo, Ein algerisches Tagebuch, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1994
- Medienprojekt Tübinger Religionswissenschaft (Hrsg.), Der Islam in den Medien (Reihe: Studien zum Verstehen fremder Religionen), Gütersloher Verlagshaus, 1994
- Abderrahmane Moussaoui, De la violence au djihad. In: Annales (Histoire, Sciences, Sociales) 49. Jahrgang, Nr. 6, November - Dezember 1994
Medienhinweise
- Merzak Allouache: Omar Gatlato, Algerien 1976
- Mohamed Chouikh: Youcef où la légende du septième dormant (Der Siebenschläfer), Algerien 1993
- Youcef Chahine: L'Emigré (Der Emigrant), Ägypten 1994
Autorin: Assia Maria Harwazinski
November 1995