Arbeitshilfe

In Our Country

Kurzspielfilm von Louisa Wagener
Deutschland 2016, 30 Minuten

Zum Inhalt

Der 17-jährige Teklebrhan kommt aus Eritrea. Zusammen mit seinem älteren Bruder Robel hat er die Flucht durch die Wüste in Libyen nach Europa gewagt, um dort eine bessere Zukunft zu haben. Doch nur er ist in Deutschland und in einer bayerischen Flüchtlingsunterkunft angekommen, was er seiner Mutter gegenüber lange verschweigt. Seine Familie setzt große Hoffnungen auf ihn, zumal sie aufgrund der Flucht der beiden Brüder vom Militär erpresst wird und in finanzielle Notlage gerät. Indem er ein zweiter Boateng werden möchte und als Profifußballer viel Geld verdient, hofft Tekle, seiner Familie helfen zu können. Es gelingt ihm, in einem südbayerischen Fußballverein unterzukommen, obwohl sich sein sportliches Talent in Grenzen hält. Trainer Franz unterstützt ihn dennoch und gibt ihm eine Chance. In dem gleichaltrigen Mannschaftskollegen Anton findet er einen Freund, der um die neue Bekanntschaft sogar dankbar ist. Schließlich kann Tekle im Gegensatz zu Anton sehr gut mit Zahlen umgehen und ihm bei den Schularbeiten helfen. Doch die restlichen Teammitglieder und damit Antons bisherige Freunde stehen ihm und den anderen Flüchtlingen reserviert gegenüber, zumal Tekle mitunter seltsam reagiert, insbesondere dann, wenn es um seine abgewetzten Sportschuhe geht. Als einer der deutschen Spieler gar seinen Platz in der Mannschaft an Tekle verliert, scheint die Spaltung im Team unabwendbar – und das unmittelbar vor einem entscheidenden Spiel gegen eine rivalisierende Mannschaft.

Filmische Umsetzung / Würdigung und Kritik

Die 23-jährige Regisseurin Louisa Wagener hat an der privaten Hochschule Macromedia in München Regie studiert. Ihre Abschlussarbeit über die Geschichte eines Flüchtlings aus Eritrea, der in einem bayerischen Fußballclub neue Freunde findet, erhielt finanzielle Unterstützung u. a. durch den Bayerischen Rundfunk als Koproduzenten und eine Förderung aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes durch Brot für die Welt-Evangelischer Entwicklungsdienst, sowie publizistischen Beistand durch mehrere Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Auf diese Weise konnte die Studentin aus Ebersberg nicht nur in ihrer Heimat selbst, sondern auch auf Fuerteventura drehen. Zugleich gewann sie den Kabarettisten Michael Altinger für die Rolle des Trainers, Joseph Hannesschläger, den Kriminalhauptkommissar aus den „Rosenheim-Cops“, als Leiter der Jugendhilfeunterkunft, Nick Romeo Reimann, der mit den „Wilden Kerlen“ berühmt wurde, als aufmüpfigen Spielleiter Cosimo sowie weitere Schauspieler mit Film- und Theatererfahrung. Eigentlich sollten auch „echte“ Flüchtlinge im Film mitspielen, doch aufgrund von Problemen bei der Genehmigung der Ausländerbehörde für die Ausreise nach Fuerteventura musste zumindest die Hauptrolle anders besetzt werden. Louisa Wagener fand für die Rolle des Tekle schließlich Alexes Feelmo, der seit seiner Kindheit in Deutschland lebt.
Die Idee zu ihrem Abschlussfilm „über eine kleine Geschichte, die für etwas Größeres steht“ (SZ vom 24.5.16) und über eine Freundschaft jenseits von Rasse und Herkunft, kam Louisa Wagener nach dem Besuch einer Deutschklasse für geflüchtete Jugendliche in München, bei dem sie einen Bekannten ihrer Eltern begleitete. Als die Jugendlichen nach anfänglichem Zögern begannen, von ihren Erlebnissen und Gefühlen auf der Flucht und in der neuen Heimat zu erzählen, stand für sie fest, dass sie darüber einen Film machen wollte. Besonders beeindruckt war sie von dem Eritreer Mülübrhan, der das Vorbild für die Figur von Tekle im Film abgab. Ihr Film möchte Verständnis für beide Seiten wecken – für den Flüchtling Tekle aus Eritrea, der nach traumatischen Erfahrungen unter Schuldgefühlen leidet, aber auch für die deutschen Jugendlichen im Fußballverein, die ihr Jugendzentrum aufgeben mussten, weil es als Notunterkunft benötigt wurde.

Die Botschaft des Films, der zu mehr Toleranz und gegenseitigem Verständnis aufruft, ist eindeutig und klar herausgearbeitet. Die Regisseurin setzt dabei nicht allein auf thematische Brisanz und Aktualität, sondern bemüht sich erfolgreich, kinotaugliche Bilder zu finden und die Geschichte nicht allein über Handlung und Dialoge, sondern gleichwertig über Stimmungsbilder und mit filmsprachlichen Mitteln zu erzählen. Das beginnt bereits, als noch vor dem ersten Bild die Stimme des Trainers zu hören ist und im Anschluss nicht er, sondern die Füße bzw. Schuhe der Spieler in einer Kamerafahrt zu sehen sind. Erst als ein weiterer Spieler – es ist Tekle wie sich herausstellt – in die Reihe tritt, fährt die Kamera nach oben und stellt den Sinnzusammenhang her. Auf diese Weise entstehen Spannung und Aufmerksamkeit. Sportschuhe in Großaufnahme werden zur Metapher und bilden den roten Faden der Geschichte. Dieser verbindet beide Handlungsstränge – Tekles Bemühungen um Anerkennung und Freundschaft sowie seine Flucht mit dem Bruder durch die Wüste – wobei auch die Zuschauer die ganze Tragik erst am Ende erfahren. Gegenüber der Fußballmannschaft einschließlich Anton, die sich Tekles seltsames Verhalten zunächst nicht erklären kann, erhalten die Zuschauer einen kleinen Wissensvorsprung durch eingestreute Flashbacks, in denen sich der Eritreer schockartig an die Fluchtsituation und den Tod seines Bruders erinnert.
An vielen weiteren Stellen gelingt es Kameraführung und Montage, Gefühle und Beziehungsstrukturen zu visualisieren. Zwei Montagesequenzen mit stimmungsvoller Musikuntermalung und ohne O-Ton, teils auch in Zeitlupenaufnahme, verdeutlichen das Verstreichen von Zeit und die besondere Atmosphäre einer Situation. In der ersten Montagesequenz wird der Spielverlauf der ersten Halbzeit samt beredter Blickwechsel zwischen den Trainern der beiden Mannschaften und verschiedenen Publikumsreaktionen zusammengefasst. In der zweiten sieht man in Parallelmontage, wie Tekle seiner Mutter per Smartphone den Tod seines Bruders beichtet, während Anton seinen Kameraden Tekles Erlebnisse erzählt und danach alle wissen, warum er sich in bestimmten Situationen so sonderbar verhalten hat.
Den Traum von Freiheit und Unabhängigkeit versinnbildlicht der mehrfach bestiegene Aussichtsturm, der sich im versöhnlichen Ende als Silhouette gegen den Sonnenuntergang abhebt und als Motiv in einer Postkarte des Münchner Rathausturms vorweggenommen wird. Wie sehr Anton unter der Fuchtel seines strengen Vaters steht, wird durch eine extreme Untersicht angedeutet, während der Siegeswille der eigenen Mannschaft vor dem Beginn der zweiten Halbzeit durch eine ebensolche Untersicht zum Ausdruck gebracht wird. Tekles Gefühlswelt spiegelt sich in vielen ausdrucksstarken Bildern. Zu Beginn ist er beispielsweise durch ein Fußballnetz hindurch zu sehen. Er fühlt sich ausgeschlossen und buchstäblich in einem Netz gefangen. Als er sich mit Anton anfreundet, steht ein blühender Obstbaum vor Antons Haus als Symbol für diese hoffnungsvolle Wende. Retardierende Handlungsmomente, die diese Freundschaft relativieren, zeigen Tekle einsam und verlassen vor einem in Weitwinkel aufgenommenen Fußballtor, in nächtlicher Umgebung vor regennassem Fenster, oder ganz allein in der Münchner U-Bahn auf dem Weg zur Münchner Allianz-Arena. Eine konsequent umgesetzte Farbdramaturgie steht ebenfalls im Dienste der Visualisierung von Gefühlswelten, etwa durch kalte (blauschwarze) oder warme Farben bis in die Kleidung hinein. Gelbtöne stehen für die Ereignisse in der Wüste, die Farbe Rot in der rot angestrahlten nächtlichen Fußballarena und in den Trikots der eigenen Fußballmannschaft bzw. des TSV Ebersberg für Tekles Hoffnungen, ein Fußballstar zu werden und eine Zukunft in Deutschland zu haben.

Themen und Hintergrundinformationen

Bei einem Kurzspielfilm von nur 30 Minuten Dauer ist es notwendig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ganz bewusst spart der Film daher eine Reihe von Informationen und Themen aus, die für die Geschichte nicht entscheidend ist. Beispielsweise wird nie genau erklärt, warum und auf welche Weise Tekle und sein Bruder Eritrea verlassen haben und wie der Alltag in diesem Land aussieht. Selbst die vom Militär erhobene sog. Diasporasteuer (siehe Glossar zu Eritrea) kommt nur insoweit am Rande ins Spiel, als sie Tekles Notlage und seine Schuldgefühle gegenüber der Familie verstärkt. Auch kulturelle Unterschiede und die Religion werden nahezu komplett ausgespart. Allenfalls lässt sich vermuten, dass Tekle dem knapp 50-prozentigen christlichen Teil der eritreischen Bevölkerung angehört, da er ohne Zögern das ihm angebotene Bier trinkt. Ein Moslem hätte damit unter Umständen mehr Probleme. Essenziell für die Geschichte bzw. die pädagogische Botschaft des Films ist dagegen die Konfrontation zwischen einem Jugendlichen mit anderer Hautfarbe und Herkunft, der eine neue Heimat in Bayern sucht, und deutschen Jugendlichen, die sich plötzlich in ihrer angestammten Lebensweise bedroht fühlen, insbesondere durch das sich verändernde soziale Gefüge ihrer Fußballmannschaft und ihrer Freizeitmöglichkeiten. Denn ihr Jugendheim wurde für die Unterkunft jugendlicher Flüchtlinge ohne Begleitung akquiriert und umgebaut.

Gegen Rassismus
Unverkennbar möchte der Film von einer gelungenen Annäherung und Integration erzählen, in deren Verlauf es zwar Hindernisse und Konflikte gibt, aber keine grundsätzlich unterschiedlichen Auffassungen, Interessen und Werte. Damit dies in der Kürze der Spielhandlung funktioniert, wird von einem leicht geschönten Bild der gesellschaftlichen Realität ausgegangen. Im Jugendteam der Fußballmannschaft ist bereits ein anderer Schwarzafrikaner integriert. Der Trainer hat keine Vorurteile und gibt Tekle sofort eine Chance und im ehemaligen Jugendheim verweist ein großes Schild darauf, dass man gegen Rassismus ist. Man wird zugleich daran erinnert, wie man bei entsprechenden Anzeichen sofort darauf reagieren kann. Selbst Cosimo, der die anderen Kameraden und insbesondere Anton auffordert, Tekle im Spiel auszugrenzen und zu provozieren, macht dies offensichtlich nicht etwa, weil Tekle eine andere Hautfarbe hat, sondern weil er zu denen gehört, die das Jugendheim der Mannschaft besetzt haben. Als sich Tekle später als versierter Spieler mit der Playstation erweist, sind vorübergehend gleich alle Feindseligkeiten begraben. Sie kehren erst zurück, als Tekle zur unmittelbaren Konkurrenz für die eigenen Stammspieler wird. Ein anderes Hindernis für eine schnelle Verständigung besteht darin, dass zu Beginn niemand auch nur eine Ahnung davon hat, was Tekle erleben musste, welches Trauma er mühsam zu verarbeiten sucht. Er reagiert auf die deutschen Jugendlichen oft sehr barsch und sie wissen auch nicht, was ihn innerlich antreibt.

Freundschaft und Vertrauen
Anton ist der erste im Fußballteam, der instinktiv spürt, dass er mit Tekle wohl einige Dinge gemeinsam hat. Das beginnt mit seinem schlechten Gewissen, nachdem er nach Cosimos Aufforderung Bälle auf Tekle im Tor schießt und ihn empfindlich am Kopf trifft. Auch Tekle hat ein schlechtes Gewissen, denn er fühlt sich mitschuldig am Tod seines Bruders, den er in der Wüste zurücklassen musste, um sein eigenes Leben zu retten und  auf diese Weise wenigstens den Traum seines Bruders zu realisieren, ein Fußballstar zu werden. Nachdem sich Anton bei Tekle für den Kopfball entschuldigt hat, ohne dass im Film auch nur ein einziges Wort fällt, freunden sie sich an. Tekle zeigt ihm vertrauensvoll seinen Minischlafraum in der Notunterkunft. Beim Besuch der Aussichtsplattform erkennen beide, dass sie noch weitere Gemeinsamkeiten haben. Tekle möchte ein großer Abwehrspieler wie der deutsche Fußballstar Boateng werden, obwohl ihm das Talent dazu offensichtlich fehlt. Anton wiederum hat Probleme, als Stürmer den Ball richtig zu treffen und ins Tor zu bringen. Beide wollen nun gemeinsam trainieren. Obendrein ist Tekle durch seine mathematische Begabung in der Lage, Anton bei den Schularbeiten zu helfen und ihm damit eine stärkere Position gegenüber dem Vater zu ermöglichen.
Allein schon deswegen, weil Tekle das Vermächtnis seines Bruders bisher nicht erfüllen konnte, muss es zu weiteren Konflikten und Missverständnissen kommen. Nach einer Phase der Annäherung in der Gruppe spaltet sich das Team, als Tekle im entscheidenden Spiel gegen eine andere Mannschaft auf Anweisung des Trainers in der Innenverteidigung aufgestellt wird. Anton wiederum fühlt sich zurückgestoßen, als er Tekle neue Sportschuhe schenkt und sein Freund dieses Geschenk brüsk ablehnt. Damit nicht genug, steht Tekle plötzlich vor der Entscheidung, entweder für seine Mannschaft zu spielen oder einen behördlichen Termin für seinen Einstellungstest wahrzunehmen.

Teamgeist – nicht nur beim Fußballspiel
Tekle entscheidet sich für das Mannschaftsspiel, obwohl er damit Nachteile für seine Aufenthaltserlaubnis in Kauf nimmt. Spätestens in diesem Moment steht das Fußballspiel über das grundsätzlich verbindende Moment des Sports (und der Kultur) zwischen Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen hinaus symbolisch für den Erfolg oder Misserfolg der Integration und des Umgangs mit Migranten. Allein schon die Begriffe „Abwehrspieler“ und „Innenverteidigung“ erhalten plötzlich eine Doppeldeutigkeit. Viel unmittelbarer noch zeigt der Spielverlauf, dass alle im Team ihre Vorbehalte und Abwehrhaltungen aufgeben müssen, um am Ende nicht als Verlierer da zu stehen. In der ersten Halbzeit ist das Team zerstritten, keiner geht auf den anderen ein oder spielt die Bälle zu. Der Trainer hat den Eindruck, alle standen auf dem Platz „wie ein Haufen Schlaftabletten“, Cosimo ist seiner Aufgabe als Spielführer nicht gerecht geworden und Tekla kann mit den abgewetzten Sportschuhen seines Bruders nicht einmal richtig spielen. Die Strafpredigt zeigt Wirkung. In der zweiten Halbzeit spielen alle mit vollem Einsatz, fühlen sich als Team, Tekla eingeschlossen, und Anton gelingt es sogar, ein Tor zu schießen. Diese Botschaft ist unmissverständlich. Wenn jeder nur den eigenen Vorteil sieht und sich egozentrisch verhält, gibt es keinen Gewinner. Nur gemeinsam können alle erfolgreich sein. Mit dieser Erkenntnis stellt Anton Tekla einfühlsam endlich die richtigen Fragen über seine Erlebnisse und schon bald wissen alle darüber Bescheid, was damals in der Wüste geschehen ist  und warum er neben dem Schock iefe Schuldgefühle entwickelte. Indem Tekle in der letzten Szene des Films die Sportschuhe beiseitelegt und Antons Geschenk akzeptiert, steht einer hoffnungsvollen gemeinsamen Zukunft in der neuen Heimat daher (fast) nichts mehr entgegen.

GLOSSAR:

Flüchtlinge – aus Afrika
Dem Jahresbericht 2015 der UNO Flüchtlingshilfe zufolge waren 65,3 Millionen Menschen Ende 2015 weltweit auf der Flucht, die höchste Zahl, die jemals vom Flüchtlingshilfswerk der UNO verzeichnet wurde. Den zahlenmäßig größten Anteil haben zurzeit Flüchtlinge aus Syrien. Aber auch in vielen anderen Ländern gibt es Konflikte, Kriege und Menschenrechts­verletzungen, die Menschen dazu treiben, fluchtartig ihr Land und ihre Heimat zu verlassen. Das gilt zurzeit insbesondere für einige afrikanische Staaten wie Somalia, Nigeria und Eritrea, den Hauptherkunftsländern für Flüchtlinge in Europa. Allein aus Eritrea ist schätzungsweise bereits ein Fünftel der Bevölkerung aus dem Land geflohen, 70.000 von ihnen sollen sich in Deutschland aufhalten. Weitere Flüchtlinge in größerer Zahl kommen aus dem Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik.
Bezogen auf die Gesamtzahl aller Flüchtlinge weltweit gibt die UNO an, dass 2015 im Durchschnitt pro Tag 34.000 Menschen geflohen sind. 50 Prozent der Flüchtlinge weltweit waren Kinder und 98.400 unbegleitete Flüchtlingskinder stellen 2015 Asylanträge.

Eritrea
Das Land am Roten Meer und nördlich des Horns von Afrika hat eine wechselvolle Geschichte, war lange Zeit vom italienischen Kolonialismus geprägt und wurde nach einem 30-jährigen Unabhängigkeitskrieg nach dem Sieg der eritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) über den mächtigen Nachbarstaat Äthiopien am 24. Mai 1993 in die Unabhängigkeit entlassen. Die Grenzkonflikte dauern dennoch bis heute an. Aus der EPLF ging die Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit (PFDJ) hervor, die seitdem mit ihrem Parteivorsitzenden, Staatspräsidenten und Regierungschef in Personalunion Isayas Afewerki an der Macht ist.
Der Einparteienstaat erinnert freilich mehr an eine Militärdiktatur, wobei 2013 ein Bericht der Vereinten Nationen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, willkürliche Tötungen und Verhaftungen, Folter und fehlende Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit feststellte. Der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ zufolge ist Eritrea weltweit das Land mit der geringsten Pressefreiheit und „Human Rights Watch“ spricht gar „vom größten Gefängnis der Welt“, denn alle Bewohner im Alter zwischen 18 und 50 Jahren sind zum sog. Nationaldienst verpflichtet und müssen oft für einen Hungerlohn Zwangsarbeit für das Militär und die Regierung verrichten – eine moderne Form der Sklaverei. Das ist die Hauptursache dafür, dass von den gut sechs Millionen Einwohnern bereits jeder Fünfte das Land verlassen hat, rund 5.000 Menschen monatlich. Auf ihrer Flucht werden sie nicht selten von Schleuserbanden gefasst und gnadenlos abgezockt.
Im Ausland lebende Eritreer müssen eine „Aufbausteuer“, auch „Diasporasteuer“ genannt, in Höhe von zwei Prozent ihres Bruttoeinkommens an den eritreischen Staat entrichten, was inzwischen zur Haupteinnahmequelle des Staats geworden ist. Repressalien gegen die Angehörigen sorgen dafür, dass diese Steuer entrichtet wird. Flieht ein Familienmitglied, sind entweder Haft eines Verwandten oder hohe Strafzahlungen fällig. Angesichts dieser permanenten Menschenrechtsverletzungen wird der EU und damit auch Deutschland vorgeworfen, sich noch nicht entschieden genug gegen diese Form der Diktatur zu positionieren, um damit auch das Flüchtlingselend zu lindern.

Jérôme Boateng
Der am 3. September 1988 als Sohn einer deutschen Mutter und eines Vater aus Ghana in Berlin geborene deutsche Fußballstar steht seit 2011 beim FC Bayern München unter Vertrag. Die besonderen Stärken des Stammspielers liegen in der Innenverteidigung. Er wurde zu Beginn seiner Profikarriere aber auch schon auf der linken oder rechten Abwehrseite eingesetzt. Im Laufe seiner beispiellosen Karriere und drei Meisterschaften in Folge wurde er im Team der deutschen Nationalmannschaft 2014 in Brasilien auch Weltmeister. Sein Vertrag beim FC Bayern München läuft bis zum 30. Juni 2021.

Didaktische Hinweise

Gerade weil dieser Kurzspielfilm nicht den Anspruch hat, politische und gesellschaftliche Hintergründe bis ins Detail zu liefern und sich stattdessen voll auf das Thema Freundschaft und die gerade auch in Deutschland nahezu flächendeckende Begeisterung für den Fußball konzentriert, ist er für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit für ältere Kinder ab etwa 12 Jahren und für alle Jugendlichen besonders geeignet. Wer die in der Tat fehlenden gesellschaftspolitischen Hintergründe und Differenzierungen der gesellschaftlichen Gegebenheiten vermisst, sollte diese entweder in der Arbeit mit dem Film selbst ergänzen bzw. ausführen oder sich für einen anderen Film entscheiden, der für die eigenen Zielsetzungen und Zielgruppen (noch) besser geeignet ist. Das EZEF bietet für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Erfordernisse bereits eine breite Palette an Filmen und Zugängen zu den Themen Flucht und Migration, Integration und Verständigung an, wobei das Angebot laufend ergänzt wird.

Beim Einsatz und in der Arbeit mit dem Film stehen die folgenden Aspekte und Fragestellungen im Mittelpunkt, die auch von der Moderation zur Sprache gebracht werden sollten:

  • Sensibilisierung und Empathie für die Situation von Flüchtlingen aus Krisenregionen in der ganzen Welt;
  • Sensibilisierung für die oftmals traumatischen Erlebnisse von Flüchtlingen, die zu (scheinbar) unangemessenen Reaktionen und Verhaltensweisen führen;
  • Reflexion über die (selbstverständlich) berechtigten Interessen der einheimischen Jugendlichen (und Erwachsenen), durch die Unterstützung von Migranten nicht selbst benachteiligt zu werden (Altruismus oder Egozentrismus);
  • geschönte Realität und bewusstes Ausblenden von weiteren Aspekten;
  • Umgang mit Traumata von Flüchtlingen (siehe Hinweis);
  • existenzielle Entscheidungen und moralisch-ethische Fragestellungen in Extremsituationen (Tekle und Robin in der Wüste).

Wichtiger Hinweis:

Der Film richtet sich von der Zielrichtung und Machart her eindeutig in erster Linie an ein jugendliches deutsches Publikum. Längst ist jedoch davon auszugehen, dass es in nahezu jeder Klasse auch Kinder und Jugendliche mit unmittelbarem Migrationshintergrund gibt, die zum Teil extreme traumatische Erfahrungen machten. Bei ihnen könnten Tekles Flashbacks über die Erlebnisse in der Wüste zum „Trigger“ werden, zum auslösenden Moment, dass eigene traumatische Erfahrung plötzlich wieder ins Bewusstsein rücken. Lehrende und Moderatoren verfügen in der Regel nicht über (psychologische) Fachkenntnisse, um solche Situationen therapeutisch produktiv nutzen zu können. Sie sollten aber auf solche Fälle vorbereitet sein, um ggf. eingreifen und zur Deeskalation der Situation aktiv beitragen zu können. Dieser ergänzende Hinweis sollte allerdings niemanden davon abhalten, mit Filmen zu arbeiten, da alle Filme selbst bei scheinbar „harmlosen“ Themen unerwartete Gefühlsreaktionen hervorrufen können.
Jedes Filmkunstwerk möchte nicht nur als thematischer Aufhänger dienen. Die Dramaturgie, die adäquate oder vielleicht auch nicht immer überzeugende Umsetzung der Themen und der Geschichte in eine ästhetische Form mittels filmsprachlicher Mittel dürfen bei einer Auseinandersetzung mit den Inhalten nicht unter den Tisch fallen. Als Anregung dazu wurde ein Arbeitsblatt entwickelt, das dabei helfen soll, sich auch über die eingesetzten Motive und Kameraeinstellungen des Films Gedanken zu machen.
Anknüpfungspunkte des Films für den Unterricht bieten sich im Rahmen der Fächer Deutsch, Sozialkunde, Sport, Geografie und natürlich Ethik/Religion, aber auch für Kunst und Medienerziehung.

Literatur- und Medienhinweise, Links (Auswahl)

  • Asfa-Wossen Asserate:„Die neue Völkerwanderung. Wer Europa bewahren will, muss Afrika retten, Propyläen Verlag, Berlin 2016
  • Marc Engelhardt (Hrsg.): Die Flüchtlingsrevolution: Wie die neue Völkerwanderung die ganze Welt verändert, Pantheon Verlag, 2. Auflage, 2016
  • Michael Horeni: Die Brüder Boateng: Drei deutsche Karrieren, Tropen-Verlag bei Klett-Cotta, Stuttgart 2012
  • Noor Nazrabi: Das deutsch-tigrinische Gesprächsbuch für Flüchtlinge aus Eritrea und Äthiopien, Afghanistik-Social-Business Verlag, 2016

Berichte über den Film und die Dreharbeiten:

  • www.sueddeutsche.de/muenchen/fluechtlingsprojekt-weil-der-mensch-ein-mensch-ist-1.2932748, Süddeutsche Zeitung, 3.4.2016
  • www.sueddeutsche.de/muenchen/ebersberg/dreharbeiten-schlacht-im-schlamm-1.2936312
    Süddeutsche Zeitung, 5.4.2016
  • www.sueddeutsche.de/muenchen/ebersberg/ebersberg-wie-man-ein-spiel-dreht-1.3004254
    Süddeutsche Zeitung, 24.5.2016
  • www.sueddeutsche.de/muenchen/ebersberg/ebersberg-premiere-fuer-louisa-wageners-film-1.3221769, Süddeutsche Zeitung, 5.10.2016
  • www.frankenpost.de/dossiers/fp/filmtage/filmtage_15/kritiken/art656255,5175484
    Frankenpost Hof, 29.10.16

Informationen zu Eritrea und über Flüchtlinge aus Afrika:

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Eritrea
  • https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/EritreaSicherheit.html
  • http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Eritrea_node.html
  • https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/fluechtlinge/zahlen-fakten.html
  • http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-06/eritrea-fluechtlinge-zwangsarbeit-sklaverei-eu
  • http://www.amnesty.de/laenderbericht/eritrea
  • http://www.deutschlandfunk.de/fluechtlinge-aus-eritrea-ein-leben-in-angst.724.de.html?dram:article_id=334069
  • http://www.deutschlandfunk.de/afrikanische-fluechtlinge-europa-und-die-neue.1310.de.html?dram:article_id=370676
  • https://www.welt.de/debatte/kommentare/article158944506/Die-wahre-Fluechtlingskrise-faengt-jetzt-erst-an.html

Autor: Holger Twele
Redaktion: Bernd Wolpert
03/2017