Arbeitshilfe

Rain

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Spielfilm von Maria Govan
Bahamas 2008, 93 Minuten, OmU

1. Inhalt
Dunkle Wolken ziehen am Horizont auf, als Rain vom Strand nach Hause läuft. Ihre Großmutter wartet bereits auf sie. Trotz des drohenden Unwetters macht die Vierzehnjährige sich noch einmal auf den Weg, um einem Nachbarn Essen zu bringen. Rosalie fühlt sich alt und müde. Aus dem Off ist ihre Stimme zu hören wie sie in Gedanken mit ihrer Tochter Ethel spricht. Sie spürt ihr Ende nahen. Angst hat sie nicht, denn sie vertraut auf Gott. Allein die Sorge um Rain bereitet ihr Kummer. Sie bittet Ethel, alles zu tun, um Rain eine Chance im Leben zu geben. Mit der Bibel in den Händen und einem letzten Blick auf das Foto ihrer Tochter stirbt sie.
Nach der Beerdigung verlässt Rain Ragged Island, um zu ihrer Mutter zu fahren, die in Nassau auf der Insel New Providence lebt. Ein Koffer, eine Tasche, ein Foto und ein Brief sind alles, was sie dabei hat. Lange muss sie am Hafen warten. Sie wandert herum, betrachtet die Betriebsamkeit, die so anders ist als auf ihrer beschaulichen Insel zuvor. Schließlich nähert sich ihr eine Frau. Nach einem unzeremoniellen Informationsaustausch ist klar, es handelt sich um Ethel, die sich inzwischen Glory nennt. Die Nacht ist längst angebrochen, als die beiden endlich an Rains neuem Zuhause ankommen: Einer Barackensiedlung am Rande der Stadt. Eingeschüchtert betrachtet Rain ihre Umgebung mit großen Augen.
Am nächsten Morgen stellt sie ihrer schlafenden Mutter als erstes das Bild der Großmutter neben das Bett. Dann holt sie ihre Laufschuhe aus dem Koffer und rennt los. Vorbei an ärmlichen Häusern, im Kartenspiel versunkenen Männern, rostigen alten Autos, Kindern, die auf der Straße Seil springen. „Friedhof“ heißt das Viertel, in dem sie nun lebt, bevölkert von Prostituierten, Spiel- und Drogensüchtigen. So genannt, weil niemand diesen Ort lebendig verlässt, sagen die Menschen.
Als sie zurückkommt, hat sich in der heimischen Hütte eine Glücksspielrunde etabliert. Sie wird weggeschickt. Am Abend muss Rain sich gegen die Bedrängungen eines Mannes zur Wehr setzen. Aber Glory greift ein, um ihre Tochter zu beschützen, warnt sie vor dem „Prediger“, wie ihn alle nennen. Als Rain ihrer Mutter den Brief ihrer Großmutter geben will, winkt diese nur ab. Rain soll ihn irgendwo hinlegen.
Später gehen sie zur Schule, um Rain anzumelden. Hier erwartet die beiden eine böse Überraschung: 50 Dollar Schulgeld müssen aufgebracht werden. Doch Rain kann trotzdem gleich mit dem Unterricht beginnen. Bei Miss Dean hat sie allerdings einen schlechten Start. Die Lehrerin macht sie zum Gespött der Klasse, weil Rain noch keine Schuluniform trägt. Auf dem Weg nach draußen, trifft Rain auf die Sportlehrerin der Schule. Beherzt schafft Miss Adams erst einmal das Problem mit der Uniform aus der Welt und sorgt dafür, dass Rain in eine andere Klasse kommt.
Zuhause bemüht sich Glory um einen Hauch von mütterlicher Normalität, weicht aber allen Gesprächen über die Großmutter aus. Fluchtartig verlässt sie plötzlich die Hütte. Zwei Baracken weiter wird gespielt, zirkulieren Drogenpfeifen. Auch Glory greift zu.
Rain wird in das Leichtathletik-Team aufgenommen. Sie gewinnt den ersten Probelauf gegen ein anderes Teammitglied. Die Trainerin erzählt ihr daraufhin von einem internationalen Schullauf in Guyana, einem Sprungbrett für talentierte Läuferinnen und Läufer und ermutigt Rain, sich dafür anzumelden.
Rain fragt ihre Mutter nach der Bedeutung ihres Namens - sie solle in der Schule einen Aufsatz darüber schreiben. Verwundert, dass Rain die Geschichte nicht längst schon kennt, erzählt Glory: „Ich war allein, als die Wehen einsetzten. Es regnete heftig. Kein Strom, kein Licht, nur ich, Gott und der Regen. Ich flehte und betete, dann presste ich dich heraus. Der Heilige Geist gab dir deinen Namen: Rain.“
In der Nachbarschaft lernt die zurückhaltende Rain die flippig-forsche Magdalin kennen. Magdalins großer Traum ist, „Miss Bahamas“ zu werden. Ihre Chance auf eine Zukunft anderswo. Zurück beim Lauftraining kommt es später zu einer kleinen Krise, als Rains Rivalin sie dort am Laufen hindern will. Doch Miss Adams ermutigt Rain, nicht aufzugeben und verspricht ihr, persönlich mit ihr zu trainieren. Jeden Morgen um sechs Uhr.
Glory entdeckt die Rechnung für das Schulgeld in Rains Rucksack. Verzweifelt versucht sie, das Geld bei ihrem Dealer aufzutreiben. Er lehnt emotionslos ab.
Während eines Gottesdienstes verlassen Magdalin und Rain aus Protest gegen die Äußerungen des Predigers, der gegen Homosexualität wettert, die Kirche. Bei einer Imbissbude kaufen sie sich Essen. Der weiße Kassierer entpuppt sich als Magdalins Vater, der ihr Geld zusteckt, damit sie ihn in Ruhe lässt.
Wieder zurück in der heimischen Baracke bekommt Rain nachts mit, dass ihre Mutter einen Freier bedient. Am nächsten Morgen weist Rain schweigend aber bestimmt die 50 Dollar zurück, die ihr ihre Mutter für die Schulgebühren mitgeben möchte. Täglich trainiert sie mit Miss Adams hart für das Qualifizierungsrennen. Und macht dabei große Fortschritte.
Eines Tages nimmt die Sportlehrerin sie mit zu sich nach Hause. Eine helle, freundliche Wohnung, viele Fotos an den Wänden. Rain fragt nach Miss Adams‘ Vater, dessen Foto sie an der Wand sieht. Die Beziehung sei spannungsreich, deutet Miss Adams an. Er lebe in einer anderen Welt. Sie habe ein paar Entscheidungen getroffen, die ihr Vater nie akzeptieren werde. Vermutlich ist der Vater nicht mit der lesbischen Lebensweise seiner Tochter einverstanden.
Währenddessen liegt Glory hustend und geschwächt im Bett. Rain drängt sie zum Arzt zu gehen, doch sie weigert sich und will auch Rains Angebot ihres gesparten Geldes nicht annehmen. Rain solle stattdessen ein paar Pflanzen für einen Tee pflücken. Im Wald trifft sie auf den verrückten „Prediger“, vor dem ihre Mutter sie gewarnt hat. Gerade noch rechtzeitig kommt Glorys Dealer hinzu, um eine mögliche Vergewaltigung zu verhindern. Rain flüchtet zu Magdalin, die sich liebevoll um sie kümmert.
Wütend fragt ihre Mutter, wo sie gewesen sei, als sie am nächsten Morgen wieder nach Hause zurückkehrt. Schnell sind die beiden in einen heftigen Streit verwickelt, bei dem sie sich gegenseitig schwere Vorwürfe machen. Rain dreht sich um und geht schweigend fort. Glory greift zur Drogenpfeife.
Rain erscheint nicht in der Schule, versäumt das Lauftraining. Miss Adams sucht daraufhin Glory auf. Sie erzählt ihr, dass Rain am nächsten Tag ein wichtiges Rennen habe. Rain sei eine sehr talentierte Läuferin - Glory habe allen Grund stolz auf ihre Tochter zu sein. Später am Abend holt Glory vorsichtig den ungeöffneten Brief ihrer Mutter hervor und beginnt zu le-sen. Aus dem Off erklingt Rosalies Stimme, die ihrer Tochter liebevolle Worte und die Verantwortung für Rain hinterlässt. Glory fasst einen Entschluss. Sie geht in ein Sportgeschäft. Danach läuft sie durch die nächtlichen Straßen. Schließlich setzt sich vor einem Polizeirevier auf die Stufen, zündet ihre Drogenpfeife an. Sie muss nicht lange warten bis ein Polizist ihr freundlich aber bestimmt die Drogen wegnimmt und sie in das Revier bittet.
Mittlerweile regnet es in Strömen. Rain sucht Zuflucht bei Miss Adams. Sie erklärt verzweifelt, dass sie nicht mehr an dem Rennen teilnehmen will. Nach und nach erfährt die Trainerin, was passiert ist. Verständnisvoll hört sie zu, tröstet Rain.
Am nächsten Morgen kommt es zu einer Aussprache zwischen Rain und ihrer Mutter auf der Polizeiwache. Glory verspricht, alles zu tun, um aus den Slum herauszukommen. Dazu brauche sie Hilfe und werde eine Weile weg sein. Sie sei traurig, dass sie nicht an Rains großem Tag dabei sei, aber mit Gottes Hilfe werde sie es schaffen und dann für Rain da sein können. Beschwörend erinnert sie ihre Tochter daran, nie ihre Ursprünge zu vergessen: Sie sei etwas Besonderes. Zum Schluss schenkt sie Rain nagelneue Sportschuhe. Bewegt umarmen beide sich innig.
Kurze Zeit später steht Glory vor der Rehabilitations-Klinik. Sie holt tief Luft und betritt das Gebäude. Rain läuft ihr Rennen.

2. Würdigung und Kritik
Rosalie, Ethel, Rain - drei Frauengenerationen. Unterschiedliche Persönlichkeiten und doch alle mit einer ganz eigenen Willenskraft. Filmemacherin Maria Govan erzählt in ihrem Spielfilmdebüt eine Geschichte über starke Frauen. Rosalie stirbt bereits zu Beginn des Films. Doch die wenigen Szenen genügen, um das Bild einer tiefgläubigen und liebevollen Großmutter zu zeichnen. Trotz der langen Jahre der Entfremdung von ihrer Tochter Ethel trägt sie keinen Groll in sich. Sie gibt die Verantwortung für ihre Enkelin Rain wieder in die Hände von Ethel im Wissen darum, dass dies eine große Aufgabe ist - verbunden mit ihrem Segen. In ihrem Abschiedsbrief und den Erzählungen von Rain über ihre Großmutter wird deutlich, dass Rosalie ihre Tochter nie aus dem Blick verloren hat.
Ethel, die sich Glory nennt, scheint dagegen zunächst mit ihrer Vergangenheit gebrochen zu haben. Voller Wut und Schuldgefühle lebt sie ein selbstzerstörerisches Leben in einer Barackensiedlung am Rande der Hauptstadt. Als sie mit vierzehn schwanger wurde, floh sie vor der erdrückenden Enge des streng religiösen Umfelds. Unmittelbar nach der Entbindung packt sie ihre Sachen und läuft davon, ohne ihr Kind mitzunehmen. Drogen, Glücksspiel, Prostitution machen nun ihr Leben aus. Doch ganz allmählich beginnt sie durch die zaghafte Annäherung an ihre Tochter Rain, sich auch mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinander zu setzen. Schließlich gelingt es ihr, mit dem Einzug in eine Rehabilitations-Klinik in einem ersten Schritt Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen als Voraussetzung dafür, eines Tages wirklich für ihre Tochter sorgen zu können.
Rain ist ein zurückhaltendes Mädchen, das nicht viel spricht, sondern lieber beobachtet. Herausgerissen aus ihrem gewohnten Leben muss sie sowohl mit dem Tod der Großmutter zurechtkommen als auch sich der völlig fremden neuen Umgebung anpassen, inklusive einer Mutter, die sie jetzt erst kennenlernt. Kraft gibt Rain ihr Talent - das Laufen. Doch die eigentliche Bedeutung des Laufens für ihr Leben entfaltet sich erst in der Beziehung zu ihrer Sportlehrerin. Miss Adams erkennt die Begabung und fördert Rain, ist ihr Mentorin und Stütze zugleich.
Männer spielen in Maria Govans Film eher eine Statistenrolle, erscheinen als gefühllose, vor-urteilsbeladene, gewalttätige Zeitgenossen. Hier widerspiegeln sich die Auswirkungen einer vom Machismo geprägten Gesellschaft.
Neben der sensiblen Portraitierung ihrer Figuren zeigt Maria Govan die Welt jenseits des Tourismusparadies' und der Traumstrände. So verzichtet sie in ihrem Film zwar nicht auf türkisfarbenes Meer und Kreuzfahrtschiffe. Doch weist sie diesen Symbolen des karibischen Urlaubs die Rolle zu, die sie im Leben der Figuren spielen – sie sind nicht mehr als Kulisse. Der Strand ist für Rain lediglich der Ort, an dem sie für ihr Rennen trainiert, und nur wer genau hinschaut, entdeckt in einer Einstellung die großen Touristenschiffe. Maria Govan selbst schaut hin, wo es weh tut. Sie lässt Rain in einer Welt leben, in der Drogen, Gewalt gegen Frauen und Diskriminierung homosexueller Menschen an der Tagesordnung sind. Alles Probleme, mit denen die Bahamas zu kämpfen haben, die sich aber nicht für die Hochglanzbroschüren der Reiseveranstalter eignen. Die Stärke der Filmemacherin liegt darin, dass es ihr gelingt, diese Themen stimmig in der Geschichte umzusetzen, die durchgängig glaubwürdig bleibt.
Als Maria Govan mit der Produktion des Films beschäftigt war, traten immer wieder Hindernisse auf. Aber jedes Mal, wenn sie kurz vor dem Aufgeben gewesen sei, habe Gott ihr gerade genug gegeben, um den nächsten Schritt zu machen, erzählte sie einmal in einem Interview. Der Berg sei durch eine E-mail, einen Anruf oder etwas anderes kleiner geworden. Genau diese Erfahrungen hat sie in „Rain“ in Bilder gefasst.
Trotz  aller Widrigkeiten gehen Rain, Ethel und Rosalie ihren Weg. Wenn Ethel ihre Schultern strafft und die Rehabilitations-Klinik betritt, bleibt zwar offen, ob sie es schafft, aber sie hat den Mut, die Chance zu ergreifen. Auch ob Rain ihr Rennen gewinnt, verrät der Film zu Recht ebenfalls nicht. Denn es geht immer wieder darum, sich selbst treu zu bleiben, den ersten Schritt zu wagen und zu schauen, wo es hinführt - mit allen Konsequenzen. Das mag mitunter schwer sein und Umwege mit sich führen aber so ist das Leben. Maria Govans Film berührt, macht Mut und gibt Hoffnung, wenn Rain am Ende des Films mit kraftvollen Sprüngen Richtung Meer in ihre Zukunft rennt.

3. Zur Regisseurin Maria Govan
Ursprünglich habe sie ein wenig Angst vor den Reaktionen des bahamaischen Publikums gehabt, erzählt Maria Govan in einem Interview für das Internet Portal Caribbean Beat Magazine. Denn ihr Film thematisiere aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen. Doch als „Rain“ 2008 das Bahamas International Film Festival eröffnete, waren 700 Plätze besetzt und Maria Govan erhielt enormen Zuspruch.
Für die Regisseurin spricht der Film eine universelle Sprache, die Menschen auf der ganzen Welt berührt. Bester Beweis, dass dies zutrifft: die Preisvergabe auf einem koreanischen Filmfestival, bei der die Jugendlichen ihre Juryentscheidung auf der Bühne begründeten. Zum einen hätten sie sich selbst in dem Film gesehen. Zum anderen inspiriere „Rain“ auch in schwierigen Lebenssituationen und bei Widerständen positiv zu bleiben.
Fast das gesamte Budget von rund einer Million US-Dollar konnte innerhalb eines Jahres durch Investoren aus den Bahamas realisiert werden. „Rain“ ist zudem einer der ersten Spielfilme, die ausschließlich auf den Bahamas produziert wurden. Gedreht hat Maria Govan vier Wochen auf drei verschiedenen Inseln der Bahamas - unter anderen New Providence und Eleuthera.
Maria Govan wollte bereits früh Filmemacherin werden. Als Einzelkind hat sie viel allein gespielt. Fantasie und Erfindungsgabe waren dabei gute Begleiter. Als sie mit 15 Jahren die High School in Nassau abschloss, schickten ihre Eltern sie in die USA in ein Internat. Später arbeitete sie in Los Angeles als Produktionsassistentin bei verschiedenen Filmen. Doch nach vier Jahren in Los Angeles ging sie zurück nach Nassau.
Ihr erster Film „Junkanoo: the Heartbeat of a People“ (2004) beschäftigte sich mit dem populären bahamaischen Festival, bei dem Kostüme, Tanz und Musik im Mittelpunkt stehen und das jährlich tausende von Besucherinnen und Besuchern anzieht. Traditionell an Weihnachten und Neujahr gelegen, findet inzwischen auch ein Sommer-Junkanoo statt.
Bei ihrem zweiten Film „Where I’m From: HIV and AIDS in the Bahamas“ (2004) begleitete Maria Govan drei Menschen mit HIV und AIDS über einen Zeitraum von vier Jahren. „Rain“ ist nach zwei Dokumentarfilmen ihr Spielfilmdebüt.
„Rain“ wurde größtenteils mit bahamaischen Schauspielerinnen und Schauspielern realisiert. Die damals 14-jährige Renel Brown ist in ihrer ersten Rolle zu sehen. Maria Govan gelang es darüber hinaus zwei bekannte amerikanische Schauspielerinnen für ihren Film zu verpflichten: Carol Christine Hilaria Pounder (Out of Rosenheim, Emergency Room, Miami Vice, Akte X) als Coach Adams und Nicki Micheaux (TV-Serie Lincoln Heights) als Rains Mutter Glory.

Premiere hatte „Rain“ 2008 beim Toronto International Filmfestival und ging danach auf Welttournee.
Auszeichnungen (Auswahl):
Bester Film beim Pan African Film Festival (Atlanta, USA)
Graine Cinephage Award, Internationales Frauen Filmfestival (Creteil, Frankreich)
Best Teen Movie, Women’s International Film Festival (Seoul, Korea)
Runner Up for the Audience Award, Bermuda International Film Festival
Publikumspreis beim Bahamas International Film Festival
Publikumspreis, Lesbian Feminist Film Festival (Paris, Frankreich)

4. Bahamas Hintergrundinformation:
Südöstlich von Florida, nördlich von Kuba liegt die Inselgruppe, die weltweit für ihr kristallklares Wasser und ihre Traumstrände bekannt ist - die Bahamas. Sie sind ein nur wenige Meter aus dem Wasser ragender Gipfel eines Plateaugebirges, das aus einer Tiefe von über 5 000 Metern aus dem Atlantik aufragt. 700 Inseln und über 2000 Korallenriffe bilden die Inselwelt auf einer Fläche von insgesamt etwa 240.000 Quadratkilometern. Nur 30 Inseln davon sind bewohnt, 16 touristisch erschlossen.
Rund 70% der Bevölkerung leben auf New Providence Island mit der Hauptstadt Nassau, 15% auf Grand Bahamas mit der zweitgrößten Stadt Freeport, der Rest auf den kleinen abgelegenen sog. "Family Islands" mit seinen 31 Verwaltungsbezirken. Insgesamt haben die Bahamas rund 362.590 Einwohnerinnen und Einwohner.
Mehr als drei Viertel der Bevölkerung sind Nachfahren von afrikanischen Sklaven, 12% Weiße, 3% asiatisch/lateinamerikanisch. Eine große Rolle spielt auf den Bahamas die Religion. Christlich geprägt gibt es auf den Inseln viele Kirchen und Gemeinderäume. In Zahlen bedeutet dies: Protestanten 67% (Baptisten 35%, Anglikaner 15%,  Adventisten 5%, Methodisten 4% u. a.), Katholiken 14%, andere christl. Gruppen 15%, andere Religionen 4%. Die lebhaften Gottesdienste mit viel Musik ziehen häufig Touristen an. Obeah, ein Voodoo-Kult, ist zwar offiziell verboten, wird aber nach wie vor heimlich praktiziert.

Die Bahamas, deren Name auf das spanische „Baja Mar“ (seichtes Meer) zurückgeht, sind seit 1973 ein unabhängiger Staat im britischen Commonwealth mit der Landessprache Englisch. Formelles Staatsoberhaupt ist Königin Elisabeth II., die durch einen Generalgouverneur vertreten wird. Nach britischem Vorbild gibt es ein zwei Kammern Parlament, das aus dem Abgeordnetenhaus mit 38 Mitgliedern und dem Senat mit 16 Sitzen besteht.
Wichtigster Wirtschaftszweig ist der Tourismus. Er erwirtschaftet knapp 60% des Bruttoinlandsproduktes und beschäftigt etwa 50% der arbeitenden Bevölkerung. Der Finanzsektor macht den zweiten zentralen Wirtschaftszweig der Bahamas aus. Trotz inzwischen stärkerer Regulierungen sind die Bahamas international bedeutend für ihr „offshore banking“, denn die Nähe zu den USA und Kanada, die Verteidigung des Bankgeheimnisses, die feste Parität der bahamaischen Währung zum US-Dollar sowie das Fehlen von Einkommens- und Körper-schaftssteuer machen das Land interessant.
Das überwiegend öffentliche Schulsystem orientiert sich am britischen Vorbild, der Besuch der rund 160 öffentlichen Schulen ist kostenlos. Die etwa 50 Privatschulen dagegen erheben Beiträge. Grundsätzlich besteht Schulpflicht. Die Alphabetisierungsrate der Bahamas liegt bei über 95%. In die Bereiche Bildung und Erziehung fließen etwa 20% der öffentlichen Ausgaben.
Als Hauptprobleme bei Menschenrechtsfragen sieht das Auswärtige Amt Polizeimissbrauch, Mängel des Justizsystems (lange Untersuchungshaft, lange Verfahren, Zeugeneinschüchterung), schlechte Haftbedingungen, Gewalt gegen Frauen und sexueller Missbrauch von Kindern.
„Auf die Frage nach dem Idealbild einer bahamaischen Frau antwortete Dr. Patterson, die Leiterin des Bahamas Crisis Center“ - nicht ohne Ironie - :„‘In unserem Kontext ist das eine Frau, die sich selbst zurücknimmt, ihre Kinder großzieht und sich um das Wohlergehen ihrer Familie kümmert. Sie ordnet sich klaglos ihrem Mann unter und sieht über seine erotischen Eskapaden kommentarlos hinweg.‘ Viele Frauen akzeptieren diese Unterordnung und die ihnen zugewiesenen Rollen, sei es aufgrund ihrer religiösen Prägung oder weil Familie und Gesellschaft ihnen keine andere Wahl lassen. Ein Aufbegehren gegen „Ihren Platz“ in der Gesellschaft ist oft der Einstieg in den Teufelskreis der Gewalt. Dies gilt besonders dann, wenn es um die Sexualität geht“, schreibt  Cornelia Marschall im Arbeitsbuch des Weltgebetstages 2015 „Ideen und Informationen“.
Frauen haben auf den Bahamas im Wesentlichen gleichberechtigt Zugang zu Politik, Wirtschaft und Verwaltung, obwohl das Diskriminierungsverbot in der Verfassung nur Rasse, Herkunft, politische Überzeugung und Glauben, nicht aber das Geschlecht ausdrücklich nennt, so das Auswärtige Amt. Im Staatsbürgerschafts- und vor allem im Erbrecht finden sich noch diskriminierende Elemente. Sorge bereitet auch die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen.
Auch Amnesty International weist in seinem Report 2013 auf die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen und Mädchen hin, darunter Vergewaltigung und anhaltende häusliche Gewalt. Darüber hinaus berichtet die Organisation von Diskriminierung und Abschiebung von haitianischen Migranten. Sie bilden die größte Migrantengruppe auf den Bahamas.

5. Didaktische Hinweise:
Der Film eignet sich für die schulische Bildungsarbeit (Sek. II), für die außerschulische Jugendarbeit, für die universitäre Ausbildung als auch für die Erwachsenenbildung.
Alterseignung: ab 16 Jahren
Themenstichworte:
Frauen, Mutter-Tochter-Beziehungen, Familie, Herkunft, Identität, Versöhnung, Selbstfindung, Freundschaft, Emanzipation, Geschlechterverhältnisse, Sexualität (Homosexualität, Promiskuität) Träume, Jugend, Sucht, Gewalt.
Didaktische Fragen:

  • Welche Frauengeschichten werden erzählt? Beschreiben Sie die Frauenfiguren im Film.
  • Welche Männerrollen kommen im Film vor? Wie werden die Männer charakterisiert? Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang AIDS
  • Wie werden Rain und ihre Mutter charakterisiert? Wie wird ihr Verhältnis dargestellt? Was kennzeichnet ihr Verhältnis zueinander
  • Welche Träume hat Rain? Wovor hat sie Angst?
  • Wo und wie findet Rain Unterstützung?
  • Welche Rolle spielt die Religion im Leben der Figuren? Wie wird Religion im Film dargestellt?
  • Wie empfinden Sie das Ende des Films? Wie interpretieren Sie das Ende
  • Könnte der Film ein anderes Ende haben? Wenn ja, wie könnte es aussehen?
  • Wie wird die bahamaische Gesellschaft dargestellt? Welche Probleme thematisiert der Film?
  • Welche Rolle kommt der Filmmusik zu?

Seminare, Frauenkreis und Frauengruppen:
Thema Wurzeln/Familiengeschichte, Mutter-Tochter-Beziehungen.
Kirchengemeinde, Jugendarbeit:
Veranstaltungsreihe „Starke Mädchen in aller Welt“ – Vorschlag für die Filmauswahl:
"Die Fliege in der Asche", "Puppen aus Ton", "Maroa", "Zulu Love Letter", " Wadjda"
(weitere Angaben zu diesen Spielfilmen s. die Filmhinweise unten)
Tourismuskritische Veranstaltungen:
unter dem Motto: „Der andere Blick auf ein Urlaubsparadies“
Schule:
In einer Projektwoche einen oder mehrere der o.g. Filme anschauen und Schülerinnen und Schüler Bezüge zu jeweiligen Ländern / der Gesellschaft entwickeln lassen, abschließender Vergleich.
Fächerzuordnung:
Religion, Ethik, Sozialkunde (z.B. Sek II mit sozialpädagogischer Ausrichtung), Englisch

6. Literaturhinweise und Links:

  • Handbuch der Dritten Welt, Bd. 3 : Mittelamerika und Karibik ; hrsg. Von Dieter Nohlen und Franz Nuscheler, Bonn 1992 / Olaf Schultze, Artikel zu Bahamas, ebd, S. 322ff
  • Link Caribbean Beat Magazine:http://caribbean-beat.com – auf der Seite als Suchbegriff «Maria Govan» eingeben http://www.weltgebetstag.de/de/service/downloads/bahamas-2015 Dort finden sich verschiedene Materialien. Eine Printversion «Arbeitsbuch des Weltgebetstages 2015 – Ideen und Informationen» gibt es bei MVG Medienproduktion
    Tel.: 0241/ 479 86-300 / Internet: www.eine-welt-shop.de

7. Filmhinweise:
Die Fliege in der Asche (La mosca en la ceniza)
Ein Film von Gabriela Davi, Argentinien 2010
98 Min., Spielfilm, Omdt.UT
Bezug DVD: EZEF

Puppen aus Ton (Poupées d’argile)
Ein Film von Nouri Bouzid, Tunesien, Frankreich 2003
90 Min., Spielfilm, OmU
Bezug DVD: EZEF

Maroa
Ein Film von Solveig Hoogesteijn, Spanien,Venezuela 2005
102 Min., Spielfilm, OmU
Bezug DVD: EZEF

Zulu Love Letter
Ein Film von Ramadan Suleman, Südafrika, Frankreich 2004
100 Min., Spielfilm, OmU
Bezug DVD: EZEF

Das Mädchen Wadjda (Wadjda)
Ein Film von Haifaa Al Mansour, Saudi-Arabien, Deutschland 2012
93 Min., Spielfilm, OmU
Bezug: www.bjf.info

Autorin: Irina Grassmann
Redaktion: Bernd Wolpert
Oktober 2014